Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
31 1 2 3 4 5 6
7 8 9 10 11 12 13

12.598 Beiträge zu
3.823 Filmen im Forum

Milliardengeschäfte mit Kulturgütern?
Foto: freshidea / Adobe Stock

Lebensqualität gegen Abwärtsspirale

27. März 2025

Teil 1: Leitartikel – Drogensucht ist kein Einzelschicksal, sie hat gesellschaftliche Ursachen

Nehmen wir den Alkohol als „Volksdroge“ Nummer eins, so werden viele Menschen sagen, es handle sich um ein „Kulturgut“. Es gibt wohl so gut wie kein Großevent oder Volksfest, wo Alkohol nicht in Strömen fließt. Bei beliebigen Anlässen, sozialen, kulturellen oder politischen Veranstaltungen, gehören alkoholhaltige Getränke zum guten Ton. Dem wird kaum widersprochen und es ist legitim, das so zu sehen. Genauso wie eine bewusste Abstinenz völlig berechtigt ist, dazu gesünder. Der Schaden, der durch übertriebenen Alkoholkonsum entsteht, steht wohl in keinem guten Verhältnis zu Präventionsangeboten.

Dabei sind die Folgen vor allem in den Ballungsgebieten sichtbar. Kaum eine Ecke ohne Schnapsflaschen und zahlreiche Menschen, die schon früh am Tag übermäßig Alkohol und andere Drogen konsumieren. Doch verwechseln wir die Folgen nicht mit der Ursache. Denn die Ursache ist in vielen Fällen Armut. Das Fallen durch das soziale Netz, eine Abwärtsspirale, aus der Menschen sich nicht aus eigenem Antrieb befreien können und nicht das richtige Hilfsangebot erhalten, erhöhen das Risiko einer Suchterkrankung exorbitant. Das werden konservative und rechte Politiker wohl bestreiten und die Erkrankung als „Schwäche“ abtun.

Erstes politisches Ziel

Sicher, es gibt eine Eigenverantwortung und selbstverständlich sehr viele Menschen, die gezwungen sind, in Armut zu leben und die auf Alkohol oder andere Drogen weitgehend oder völlig verzichten. Aber der strukturelle Zusammenhang ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Neben mehr Prävention muss eben auch an den grundsätzlichen sozialen Problemen gearbeitet werden und das größte davon ist die steigende Armut durch gestiegene Lebenshaltungskosten. Die beste Beratung hat nur halb so viel Wert, wenn zu Hause das Elend wartet. Die Lebenszufriedenheit der Menschen zu erhöhen und sie zu entlasten, müsste neben Vorbeugung und Hilfe das erste Ziel sein. 

Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie dieselben Personen, die den Alkohol als „Kulturgut“ verteidigen, in Cannabis den Leibhaftigen zu erkennen glauben, der die Gesellschaft zerstören wird. Eine Beweisführung gibt es nicht und braucht es für diese Art der Argumentation auch nicht, es ist eher ein Gefühl und politisches Statement.

Der Leibhaftige

Die Entkriminalisierung von Cannabis war lange überfällig, die Prohibition im Kern nutzlos, sie beschäftigte vor allem die Behörden. Und sie ist längst nicht abgeschlossen, wie man an den kaum zu nehmenden Hürden bei der Gründung eines Cannabis Social Clubs sehen kann. Friedrich Merz scharrt mit Sicherheit schon mit den Hufen, um diese Errungenschaft wieder zunichte zu machen.

Müssen wir deswegen alle kiffen? Nein, müssen wir nicht. Denn auch der im Cannabis enthaltene Wirkstoff THC birgt gesundheitliche Gefahren, die nicht unterschätzt werden dürfen. Auch hier muss der Jugendschutz greifen und die Präventionsarbeit insgesamt verstärkt werden, Verharmlosung ist ebenso wenig angebracht wie Verteufelung. 

Was haben Alkohol, Zigaretten, Cannabis und andere Drogen gemeinsam? Sie sind ein Milliardengeschäft, hinter dem Lobbyisten oder organisierte Kriminalität stecken. Beide haben ein Interesse daran, das der Rubel weiter rollt. Diese Mächtigen politisch anzugreifen und ihren Einfluss zu begrenzen, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Was heißt das für den Alltag? Bewusst konsumieren und zugleich dafür streiten, dass die Verhältnisse bessere werden.

Henning von Stoltzenberg

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Riff Raff – Verbrechen ist Familiensache

Lesen Sie dazu auch:

Zum Wohl!
Intro – Rausch im Glück

„Wir haben das Recht auf Rausch“
Teil 1: Interview – Mediziner Gernot Rücker über die Legalisierung von Drogen

Zwischen Blüte und Bürokratie
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Cannabas-Club e.V. und der neue Umgang mit Cannabis

Gute Zeiten für Verführer
Teil 2: Leitartikel – Das Spiel mit dem Glücksspiel

„Ich vermisse die Stimme der Betroffenen“
Teil 2: Interview – Psychologe Tobias Hayer über Glücksspielsucht

Suchthilfe aus der Ferne
Teil 2: Lokale Initiativen – Online-Projekt des Evangelischen Blauen Kreuzes in NRW hilft Abhängigen

Konsum außer Kontrolle
Teil 3: Leitartikel – Was uns zum ständigen Kaufen treibt

„Dann übernimmt das Lusthirn“
Teil 3: Interview – Psychotherapeutin Nadine Farronato über Kaufsucht

Teufelskreis im virtuellen Warenkorb
Teil 3: Lokale Initiativen – Die Caritas-Suchthilfe hilt auch bei Kaufsucht weiter

Ausgespielt!
Spielautomaten aus Kleinstädten verbannt – Europa-Vorbild: Rumänien

German Normalo
Zwischen Selbstoptimierung und Abhängigkeit – Glosse

Leitartikel

HINWEIS