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Viele könnten reichlich abgeben, ohne zu verzichten
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Bloß der Wille fehlt

30. April 2025

Teil 1: Leitartikel – Die Politik zulasten der Ärmsten gefährdet den sozialen Frieden

Unser derzeitiges Wirtschaftssystem funktioniert nach dem Prinzip „höher, schneller und weiter“. Die Marktwirtschaft lebt von ständigem Wachstum, erklären ihre Vertreter und Befürworter. Wem das zu schnell geht und wer auf negative Folgen und Effekte hinweist, bekommt beschwichtigend zu hören: „Der Markt regelt das.“ Aber stimmt das eigentlich und auf wessen Kosten wächst die Wirtschaft? Schauen wir uns in der BRD um, müsste doch eigentlich alles in Ordnung sein.

Deutschland ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von 4.305 Milliarden Euro im Jahr 2024 nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und die größte Volkswirtschaft in Europa. Insbesondere der Export von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen sowie von chemischen Erzeugnissen hat Deutschland bis heute zur drittgrößten Exportnation der Welt gemacht. Der Dienstleistungssektor hat mit 70 Prozent den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes.

Drittgrößte Volkswirtschaft

Und dennoch ist die Lage so rosig nicht, schauen wir uns beispielsweise den Gesundheitssektor an, den Bildungsbereich oder die Armutsentwicklung. Hier ist es nämlich nicht mehr bestreitbar, dass immer mehr Krankenhäuser entweder schließen oder die Leistungen einschränken und damit die Wege für Patientinnen und Patienten immer länger werden. Die Schulklassen in maroden Gebäuden werden hingegen immer größer und die Armen vor allem in den Ballungsgebieten werden täglich mehr.

Wenn sie es für nötig hält, kann die Regierung eingreifen, wie zuletzt mit der Lockerung der Schuldenbremse für Rüstungsausgaben sowie einem Infrastruktur-Sondervermögen von 500 Milliarden Euro. Klar ist, dass diese fiskalische Entschlossenheit allererst militärisch motiviert ist – die Analogie mit den Kriegskrediten von 1914 drängt sich auf und ist in vieler Munde. Und so überfällig es ist, in die Infrastruktur zu investieren: Die prekäre Lebenssituation von Millionen Menschen in Deutschland war und ist kein Anlass für derart großzügige Gegenmaßnahmen, da wird sich eher taub gestellt und den Betroffenen selbst die Schuld gegeben. Und das ist auch praktisch, denn schließlich muss das Unterfangen „gegenfinanziert“ werden, wie es so schön heißt. Neben Steuersenkungen für Unternehmen soll es im Sozialbereich weitere Kürzungen geben.

CDU-Chef Friedrich Merz macht Schlagzeilen, indem er erklärt, mit einer „neuen Grundsicherung“ bis zu 1,7 Millionen Empfängerinnen und Empfängern von Bürgergeld die Leistungen streichen zu wollen, weil sie angeblich nicht arbeiten wollen. Die Behauptung ist so falsch wie die Zahlen und das Vorhaben ist laut BGH-Urteil rechtswidrig, aber darum geht es nicht. Es ist doch symptomatisch, das es eben nicht Überlegungen zu stark erhöhten Vermögens- oder Erbschaftssteuern sind, um für die „Gegenfinanzierung“ zu sorgen. Die Eigentums- wie Machtverhältnisse sollen nicht im Kleinsten berührt werden. Da liegt das Problem. Es zeigt, wo ein politischer Wille der Regierenden ist, da wird auch ein Weg gefunden. Jedes fiskalische Problem scheint lösbar, aber es zeichnet sich in aller Deutlichkeit ab, dass die Lösungen nicht allen zugutekommen werden. Damit das der Fall wäre, bräuchte es kein permanentes wirtschaftliches Wachstum.

Stattdessen bräuchte es eine sozial gerechte Umverteilung des Vermögens. Es sollte in die Gesellschaft investiert werden, statt sie immer weiter zu spalten und die Menschen gegeneinander auszuspielen. Was wir mehr brauchen als Wachstum, ist sozialer Frieden.

Henning von Stoltzenberg

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