Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) steht zu Recht vielfach in der Kritik. Zuallererst einmal ist er ziemlich teuer. Viele vor allem junge Menschen ärgern sich, dass sie dafür bezahlen müssen, obwohl sie ihn zunehmend weniger konsumieren. Bürgergeldbeziehende haben glücklicherweise die Möglichkeit, sich von den Gebühren befreien zu lassen. Das sieht bei Haushalten mit geringen Einkommen schon ganz anders aus. Bei steigenden Kosten und Lohndruck zählt in vielen Familien und Wohngemeinschaften jeder Euro und muss zweimal umgedreht werden, um über die Runden zu kommen. Und dann noch per Staatsvertrag für etwas zahlen, was unter Umständen gar nicht in Anspruch genommen wird?
Teuer und trivial
Dazu kommt die inhaltliche Kritik. Zu viel triviale Unterhaltung von vorgestern, zu viele Nebenschauplätze, schlecht recherchierter Lokaljournalismus, aber auch das Transportieren von Staatsräson in den überregionalen Formaten, lauten die Vorwürfe an den ÖRR. Und das alles mit öffentlichen Geldern.
Beim Thema Geld und Ressourcenverwendung kommt der ÖRR vielfach gar nicht gut weg. Tatsächlich gibt es zahlreiche nachweisbare Beispiele für verschwenderische Haushaltspolitik in der schier unüberschaubaren ÖRR-Senderfamilie, ebenso für Vetternwirtschaft und die Überversorgung von Leitungspersonal.
Luxusgehälter
Dazu kommen fragliche Personalentscheidungen nicht zuletzt unter politischer Einflussnahme, Versagen sowie krasses Fehlverhalten von Senderchefs und -chefinnen, die frei von jedem unternehmerischen Risiko zudem Gehälter beziehen, für die ein Großteil der Gebührenzahler bestenfalls Kopfschütteln übrig hat. Das macht zu Recht wütend.
Auch die Rentenbezüge der Intendanten sind alles andere als von schlechten Eltern, während die Altersarmut in der Breite zunimmt und es im aktuellen Rechtsruck Bestrebungen gibt, die Rente weiter zu schleifen.
Rechte Motive
Aber Vorsicht: Was wäre die Alternative? Und was sind die Motive derjenigen, die dem ÖRR pauschal Staatsgehorsam und Indoktrination vorwerfen und sogar dessen Abschaffung verlangen oder versprechen? Auch hier weht der Wind in vielen Fällen von rechts, wo es letztlich darum geht, sozialkritische Formate abzuschaffen und die Medien dann im privaten Bereich nach und nach gleichzuschalten.
Dieser Art von Kritik muss aus demokratischer Sicht deutlich widersprochen werden, sie ist gefährlich und geht in die völlig falsche Richtung. Vergessen wir nicht, dass auch Formate wie „Die Anstalt“, die „heute show“ oder das „Comedy Kollektiv“ zum ÖRR gehören, die nun wirklich kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn es darum geht, auf unterschiedliche Weise das Regierungshandeln und damit verbundene soziale Missstände zu kritisieren. Auch wäre es wirklich unfair, alle zum Beispiel freien Mitarbeitenden in den Lokalredaktionen des ÖRR abzuwatschen, obwohl viele mit ihren gut recherchierten Berichten und Reportagen zum öffentlichen Diskurs beitragen und deren Arbeit soziale Themen aufgreift, die einen unbedingten Nachrichtenwert haben.
Demokratisch wertvoll
Der Zwang, Gebühren zu zahlen, ist mehr als fragwürdig, da braucht es eine andere Lösung. Die Strukturen sind vielfach verkrustet, da braucht es Reformen und Transparenz. Und über die Programme kann diskutiert werden, sie dürfen ruhig moderner werden. Trotzdem muss der ÖRR erhalten bleiben, er ist eine politische Errungenschaft!
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Branchenprobleme
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