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Was bleibt vom Klimaprotest?
Foto: Tobias Seeliger/Adobe Stock

Der Ast, auf dem wir sitzen

26. Juni 2025

Teil 2: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger

In seinem „Earth Song“ beklagte Michael Jackson, was die Menschen der Natur und einander antun und rief aus: Look what we’ve done – Seht, was wir angerichtet haben! Das Lied traf einen Nerv, es stand 1995 fünf Wochen lang in Deutschland an der Chartspitze und blieb 35 Wochen in den Top 100. Die apokalyptischen Bilder im Musikvideo, die die Folgen des rücksichtslosen Umgangs mit unserer Erde zeigen, sind längst zu regelmäßigen Nachrichtenbildern geworden. Interessiert es uns überhaupt?

Gemahnt wird seit Jahrzehnten, getan wird wenig. Ende Mai erschien der neue Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Sie mahnt, dass die globalen Temperaturen in den nächsten fünf Jahren mindestens einen weiteren Hitzerekord brechen werden, was die Gefahr von extremen Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden weiter erhöht.

Klimakleber vs. Dieselskandal

Schockiert betrachten wir Katastrophenbilder von Autos, die von Wassermassen fortgespült werden, von Menschen, die sich auf Dächer flüchten, von Bränden, die Schneisen in Wälder und Wohngebiete schneiden. Doch kein Bild scheint schrecklich genug zu sein, um die Menschheit von der Weltzerstörung abzubringen. Im Gegenteil. Nachdem Fridays for Future die Öffentlichkeit kurz aufrüttelte, die Botschaften der Letzten Generation kurz durchdrangen, kehrte die Welt zum Alltagsgeschäft zurück oder machte gar eine Kehrtwende, wie derzeit in den USA unter Donald Trump. Wer sich um die Zukunft des Planeten sorgt, wird sogar kriminalisiert. Klimakleber erhielten 2023 Rekordstrafen und mussten mehrere Monate hinter Gitter. Der ranghöchste Angeklagte beim VW-Dieselskandal hingegen kam jüngst auf Bewährung frei.

Autos vs. Insekten

Wenn Bauern für ihre Diesel- und Pestizidrechte demonstrieren oder Ölkonzerne neue Bohrlizenzen fordern, finden sie Gehör. Stimmen von NGOs für den Erhalt der Biodiversität oder strengere Abgasregeln verhallen hingegen. Würde die Autoproduktion in Deutschland um 70 Prozent einbrechen, ginge ein Aufschrei durchs Land. Weltuntergang! Aber 76 Prozent weniger Fluginsekten als noch vor 27 Jahren – egal. Dabei hängen unsere Kulturpflanzen von der Bestäubung durch Insekten ab. Je mehr Pflanzenarten es gibt, desto besser ist es für Arten- und Wasserschutz. Ein Hauptverursacher des Insektenrückgangs ist die intensive Landwirtschaft, deren Lobby … siehe oben. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte bereits Ende 2023 einen besseren Schutz von Wiesen und Wäldern. Doch eine für 2024 geplante Novellierung des Bundeswaldgesetzes wurde nie verabschiedet. Fraglich, ob die neue Regierung das Thema erneut aufgreifen wird, obwohl es essenziell für Klima und Umwelt ist.

Für wen kämpfen Aktivisten überhaupt noch? Das Helmholtz-Zentrum Hereon bei Hamburg befragt jährlich Menschen zum Klimawandel. Während in den letzten Jahren das Bewusstsein über die Folgen des Klimawandels wuchs, interessieren sich nun wieder weniger Menschen dafür. „Anlass zur Besorgnis gibt allerdings die Beobachtung, dass der Anteil der jüngeren Befragten im Alter von 14 bis 29 Jahren, die den Klimawandel als große Bedrohung sehen, gegenüber dem letzten Jahr um beträchtliche 11 Prozentpunkte gesunken ist“, sagt Beate Ratter, die seit 18 Jahren die Studie durchführt. Auch immer weniger Männer schätzen den Klimawandel als Bedrohung für die Natur ein. Doch Frauen und Ältere allein können die Umwelt nicht retten, da müssen alle ran. Wir brauchen strengere Richtlinien seitens der Gesetzgebung. Aber selbst beim European Green Deal wird gerade zurückgerudert. Look what we’ve done.

Tina Adomako

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