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30. April 2025

Neues Gesetz schützt Arbeiter vor ständiger Erreichbarkeit – Europa-Vorbild: Spanien

Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt revolutioniert, doch die Kehrseite der Flexibilität zeigt sich in ständiger Erreichbarkeit. Spanien verzeichnete nach der Corona-Pandemie einen Anstieg der Remote-Arbeit um 40 Prozent. Parallel dazu stiegen Burnout-Raten und psychische Belastungen. Laut Studien checkten 62 Prozent der Beschäftigten regelmäßig nach Feierabend berufliche E-Mails. Als Reaktion darauf trat im August 2021 das Gesetz „Ley de Trabajo a Distancia“ (Gesetz zur Remote-Arbeit) in Kraft. Erstmals wurden klare Regeln festgeschrieben, die den Arbeitnehmer:innen das Recht auf digitales Abschalten von der Arbeit erlauben. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit Remote-Mitarbeitenden, verbindliche Richtlinien zur digitalen Abschaltung zu entwickeln. Dazu gehören festgelegte Ruhezeiten. Arbeitgeber müssen Zeiten definieren, in denen keine berufliche Kommunikation stattfindet. Firmen sind angehalten, Tools wie automatische „Out-of-Office“-Antworten oder Zugriffsbeschränkungen auf Unternehmensserver einzurichten.

Klare Regeln, aber …

Das Gesetz beinhaltet auch ein Diskriminierungsverbot. Mitarbeitende dürfen nicht benachteiligt werden, wenn sie außerhalb der Arbeitszeiten nicht reagieren. Verstöße der Arbeitgeber können mit Bußgeldern von bis zu 7.500 Euro pro Kontaktversuch geahndet werden, sei es per Telefon, E-Mail oder Textnachricht.

Trotz der klaren Vorgaben zeigen sich Hürden. „Viele KMUs [kleine und mittlere Unternehmen; d. Red.] haben weder die IT-Ressourcen noch das Bewusstsein für die Dringlichkeit“, erklärt Arbeitsrechtlerin María Jesus López Sánchez, Mitglied der Nationalen Vereinigung der Arbeitsrechtsanwälte (ASNALA). Sie engagiert sich für die Umsetzung neuer Gesetze wie das des spanischen „Rechts auf digitale Abschaltung“. „Zudem bleibt die Kultur der ständigen Verfügbarkeit in einigen Branchen tief verwurzelt.“ Eine Umfrage der Gewerkschaft UGT ergab, dass 35 Prozent der Beschäftigten noch immer Druck verspüren, nachts berufliche Anfragen zu beantworten.

Echte Veränderungen

Spanien folgt mit dem Gesetz Ländern wie Frankreich, das bereits 2017 das Recht auf Abschalten einführte, wobei aufgrund fehlender Sanktionen dieses vorerst nur ein symbolischer Schritt ist. Der Erfolg hängt von der Unternehmenskultur und der Bereitschaft ab, digitale Grenzen zu respektieren. Während französische Unternehmen verpflichtet sind, verbindliche Absprachen mit Betriebsräten zu treffen und das Ergebnis seitens der Unternehmer freiwillig ist, stützt sich Spanien auf die gesetzlichen Regelungen. Mit rechtlichen und finanziellen Folgen für die Arbeitgeber. Das Gesetz ist mehr als eine Regelung – es ist ein Signal für die sich immer rasanter entwickelnde Transformation unserer Arbeitswelt. Spanische Arbeitspsychologen betonen, dass die ständige Erreichbarkeit nicht nur zu Schlafstörungen, sondern auch zu gesundheitlichen und familiären Problemen führt. Das Recht auf Abschaltung ist laut spanischen Arbeitspsychologen kein Luxus, sondern eine psychologische Notwendigkeit. Unternehmen wie der Telekommunikationsgigant Telefónica setzen bereits auf KI-gestützte Tools, die E-Mails außerhalb der Arbeitszeiten automatisch pausieren. Dennoch bleibt die Frage: Kann ein Gesetz die Erwartung in einer rund um die Uhr vernetzten Welt ändern? Spanien geht einen ersten Schritt, doch der wahre Wandel erfordert einen Dialog zwischen Technologie, Politik und Gesellschaft. 

Der aktuelle Gesetzesvorschlag zur gesetzlich verankerten Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden schließt auch das Gesetz „Recht auf digitale Abschaltung“ mit ein. Beides wird in nur einem Gesetz verankert. Es muss noch durch das Parlament verabschiedet werden. Ziel ist es, dass das neue Arbeitsrechtschutzgesetz bis Ende 2025 verabschiedet und umgesetzt wird.

Inés Carrasco

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