Im Jahr 2023 befanden sich rund 44.232 Strafgefangene und Sicherungsverwahrte in den deutschen Justizvollzugsanstalten. Dies geht aus der Rückfallstatistik des Bundesministeriums der Justiz hervor. Demnach liegt die Rückfallquote nach drei Jahren Haft weitgehend konstant bei 46 Prozent, nach zwölf Jahren bei 66 Prozent. Ein Drittel dieser Rückfälligen wird erneut zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Für einen Großteil der Gefangenen gilt: Wer einmal straffällig geworden ist, wird wieder straffällig.
Für eine bessere Gesellschaft
Norwegens Weg zu einer besseren Resozialisierung von Straftätern begann in den 1990er Jahren. Angesichts einer beunruhigend hohen Rückfallquote entschied sich das Land für eine grundlegende Reform des Strafvollzugs. Statt ausschließlich auf Bestrafung zu setzen, wurde verstärkt auf Rehabilitation und Verhaltensänderung gesetzt. Mit Erfolg: Dort liegt die Rückfallquote heute bei etwa 20 Prozent. Besonders bemerkenswert ist die Situation auf der norwegischen Insel Bastøy, die eines der luxuriösesten Gefängnisse der Welt beherbergt. Nach Medienberichten liegt die Rückfallquote in Bastøy sogar nur bei 16 Prozent.
Obwohl die Rückfallstatistiken – sowohl für Norwegen als auch für Deutschland – nach Angaben der Universität Greifswald keine systematischen Gruppenvergleiche vornehmen und somit keine konkreten Aussagen über die Wirksamkeit des Strafvollzugs oder der Bewährungshilfe zulassen, weist Norwegen heute eine der niedrigsten Rückfallraten in ganz Europa auf.
Weniger Gefängnis, mehr Verantwortung
Ein wesentliches Element des norwegischen Erfolgs ist die veränderte Rolle der Gefängniswärter. Statt in erster Linie als Sicherheitspersonal zu wirken, übernehmen sie zunehmend die Rolle von Sozialarbeitern, die das Verhalten der Gefangenen positiv beeinflussen sollen. Darüber hinaus setzt Norwegen auf individualisierte Programme zur Verhaltensänderung und zur Vorbereitung auf das Leben nach der Haft. So kann während der Haft ein Studium absolviert werden und auch andere Bildungsmöglichkeiten erleichtern den Weg zurück in die Gesellschaft. Die Gefangenen behalten also ihre Privilegien mit Ausnahme ihrer Bewegungsfreiheit und leben unter Bedingungen, die denen außerhalb der Haftanstalt zumindest ähneln.
Der norwegische Strafvollzug zeigt, dass eine konsequente Ausrichtung auf Rehabilitation und Resozialisierung nicht nur die Rückfallquoten senkt, sondern auch positive Veränderungen im Leben der Gefangenen bewirken kann. Hiervon können andere Staaten gewiss lernen – insbesondere angesichts weltweit steigender Inhaftierungsraten.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wahlverwandt
Intro – Beziehungsweisen
Durch dick und dünn
Teil 1: Leitartikel – Warum zum guten Leben gute Freunde gehören
„Was nicht erlaubt ist: Druck ausüben“
Teil 1: Interview – Autor Sebastian Schoepp über Freundschaften
Ankommen zu zweit
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Verein Start with a Friend knüpft Kontakte für die Einwanderungsgesellschaft
Von leisen Küssen zu lauten Fehltritten
Teil 2: Leitartikel – Offene Beziehungen: Freiheit oder Flucht vor der Monogamie?
„Bin ich eifersüchtig oder eher neidisch?“
Teil 2: Interview – Paarberaterin Sonja Jüngling über sexuelle Kontakte außerhalb einer Paarbeziehung
Nach dem Vertrauensbruch
Teil 2: Lokale Initiativen – Therapeuten-Netzwerk besserlieben berät auch zu offenen Beziehungen
Pippis Leserinnen
Teil 3: Leitartikel – Zum Gerangel um moderne Lebensgemeinschaften
„Mit dem ersten Kind nimmt die Ungleichheit zu“
Teil 3: Interview – Soziologe Kai-Olaf Maiwald über Ehe, Familie und Geschlechterverhältnisse
Einander Zeit schenken
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Nachbarschaftsheim Wuppertal
Nur die Lokomotive
Verloren zwischen Bett- und Lebensgeschichten – Glosse
Spielglück ohne Glücksspiel
Gegen teure Belohnungen in Videospielen – Europa-Vorbild: Belgien
Soziale Energiewende
Klimaschutz in Bürgerhand: Das Energy Sharing – Europa-Vorbild: Österreich
Exorzismus der Geisternetze
Bekämpfung von illegaler und undokumentierter Fischerei – Europa-Vorbild: Italien
Fessel für die Freiheit
Elektronische Fußfessel für häusliche Gewalttäter – Europa-Vorbild: Spanien
Grasen für die Natur
Wisente in den Karpaten schützen Klima und Artenvielfalt – Europa-Vorbild Rumänien
Bildung für mehr Miteinander
Pflichtfach Empathie – Europa-Vorbild Dänemark
Soziale Bakterien
Den Ursprüngen sozialer Phobien auf der Spur – Europa-Vorbild: Irland
Ungefilterte Schönheit
Regeln für Influencer – Europa-Vorbild: Frankreich
Alltag ohne Hindernisse
Städtische Barrierefreiheit – Europa-Vorbild Schweden
Wir müssen reden!
Bürgerräte als demokratische Innovation – Europa-Vorbild: Belgien
Konzern in Arbeiterhand
Die Industriegenossenschaft Mondragón – Europa-Vorbild: Spanien
Menschenrecht gegen Polizeikontrolle
Die Allianz gegen Racial Profiling – Europa-Vorbild: Schweiz
Digitalisierung für alle
Technischer Wandel und Inklusion – Europa-Vorbild: Dänemark
Gemeinsam für gesunde Äcker
Prämien für die Agrarwende – Europa-Vorbild: Niederlande