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Clothing Recycled
Foto: Tim Mitchell

Wendemode

13. Oktober 2018

Die janusköpfige Textilbranche: „Fast Fashion" im Rautenstrauch-Joest-Museum – Spezial 10/18

Kunstwerk oder Gebrauchsgegenstand? Lieblingsstück oder Wegwerfprodukt? Die Fashion-Industrie entwickelt sich in zwei Richtungen: Auf der einen Seite werden T-Shirts produziert, die so häufig wie der Kaffee in der Kantine gekauft werden können – und das zu ähnlichen Preisen. Der andere Trend geht in Richtung eines bewussten Konsums: Öko-Mode, Vintage-Kleidung und Wertschätzung eines jeden Produkts. Genau mit diesem Kontrast beschäftigt sich nun das Rautenstrauch-Joest-Museum. In der Ausstellung „Fast Fashion – Die Schattenseiten der Mode“ werden BesucherInnen eingeladen, Etiketten, Materialien und Muster genauer unter die Lupe zu nehmen – und die Geschichten dahinter zu erfahren. Dafür gastiert hier die Wanderausstellung zur Fast Fashion, während der zweite Teil der Ausstellung (das Gegenkonzept: Slow Fashion) aus hauseigenen Beständen zusammengestellt wurde. Dazu gibt es ein reichhaltiges Begleitprogramm: So geben Veranstaltungen wie Poetry Slams, hochkarätig besetzte Podiumsdiskussionen und ein Weihnachtsevent zusätzlichen Anreiz, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

„Köln ist ja auch Hauptstadt des Fairen Handels und diese Ausstellung ist ein tolles Beispiel für gesellschaftspolitische Themen in Museen“, so Susanne Laugwitz-Aubach von der Stadt Köln. „Wir möchten das Thema einfach attraktiv für alle Besucherschichten machen und so gestalten, dass jeder etwas davon mitnehmen kann.“ Und dafür hat sich das Kuratorenteam einiges einfallen lassen, um weg von der „dunklen Ethno-Ecke“ zu kommen, wie Kurator Oliver Lueb erläutert. Und tatsächlich: Der aufgebaute Laufsteg, Nähmaschinen, die zu Kursen einladen, Fashion-Befragungen am Computer sowie Kantha-Kärtchen (indisches Upcycling) zum Mitnehmen stellen ein anschauliches und vielseitiges Programm dar.


Design trifft Schulprojekt
Foto: Lisa Thiel

Um es zu verwirklichen, hat das Museum lokale Initiativen mit ins Boot geholt. Und da seien in Köln unzählige geeignete zu finden, wie Kuratorin Annabelle Springer berichtet. So wirkten unter anderem die Ecosign Hochschule für nachhaltiges Design, die Internationale Friedensschule Köln und KünstlerInnen der integrativen Ateliers Kat18 an der Ausstellung mit. Und auch die Organisation Femnet e.V. – ganz offensichtlich sind Frauen stärker betroffen. In gewisser Weise als Zielgruppe, aber auch als Leidtragende, stellen sie doch die hauptsächliche Arbeitskraft in der Textilbranche dar.

Das zeigt auch die eindrucksvolle Porträt-Reihe, in der Frauen wie Daliya Shikdur vorgestellt werden. Sie ist Näherin, seit sie 8 Jahre alt ist, und als 20-jährige nun Gewerkschaftsführerin. Sexuelle Übergriffe, harte Arbeitszeiten und Hungerlöhne machen Frauen zu den Verliererinnen der Modeindustrie. „Sie kennen ihre Rechte oftmals nicht“, erklärt Annika Cornelissen von Femnet. „Viele von ihnen sind Analphabeten.“ Mit diesen Umständen beschäftigt sich der Fast-Fashion-Teil. „Vieles kann man zunächst gar nicht glauben. Dann wird klar: Verstörend ist das System der Textilindustrie insgesamt“, so Museumsdirektor Klaus Schneider über die Exponate. Und die sind wirklich nichts für schwache Gemüter. Baumwoll-Pestizide, die den Chemiewaffen aus dem Ersten Weltkrieg nahekommen, einstürzende Fabriken, rosafarbene Flüsse: Schmerzvoll schon auf Bildern oder in Videos zu ertragen – für die TextilarbeiterInnen tägliche Realität. Paradox dazu wirken mediale „Beutezüge“ von Videobloggern, die stolz ihre Berge an Einkäufen präsentieren.

Geradezu wie eine Erleichterung wirkt da das Alternativkonzept: Bei der sogenannten „Slow-Fashion“ wird das Kleidungsstück als Kulturgut gewürdigt. „Es geht darum, dass lokale Gemeinschaften wieder erstarken, ihr jahrhundertealtes Wissen und ihre Identität gewürdigt werden.“

Wie das Prinzip des „Faso Dan Fani“ aus Burkina Faso, dessen lokale Produktion und Verarbeitung von Baumwolle in den 80er Jahren zur Unabhängigkeit des Landes beitrug. Oder aber „Barkloth“ – die Rinde des Feigenbaums aus Uganda, der aufgrund der Verunglimpfung durch europäische Missionare fast in Vergessenheit geraten wäre. Seit 2008 ist er aber nun Weltkulturerbe und Designerinnen wie José Hendo gestalten ihre Kollektionen damit.

Andere Besonderheiten wie Muschelseide aus Sardinien, die bis zu einem Jahr dauernde Färbetechnik „Ikat“ aus Indonesien oder das nigerianische Kunsthandwerk der Ijaw, das Unkraut im Wasser zu Kleidung verarbeitet, sind ebenfalls zu sehen – eine Fülle von verblüffenden, beeindruckenden und unschätzbaren Weisen, Textilien herzustellen. Denn Mode ist mehr als bloßer Schutz oder eine Hülle. Sie dient als Ausdruck von Kultur und Identität und kann als „Vermittler, aber auch als Möglichkeit zum Widerstand gegen Kolonialismus“ gelten, wie es die italienisch-haitische Designerin Stella Jean ausdrückt.

Und so wird allerlei Wissenswertes, viel Schockierendes und eine ganze Menge Inspirierendes geboten. Die BesucherInnen können auf Kleiderpaketen Platz nehmen, an der Pop-up-Nähstube ihre eigenen T-Shirts bearbeiten und aus künstlerischen und wissenschaftlichen Arbeiten Einblicke in die Branche mit den meisten Beschäftigten weltweit erhaschen. Es ist eine Ausstellung fürs Museum, für den öffentlichen Raum und für jeden Kleiderschrank zu Hause. Wer erfahren will, warum Gandhi als Vorbild der Slow-Fashion-Bewegung gilt, ein Rentner auf Haiti ein T-Shirt mit dem Aufdruck „The man. The legend.“ trägt und Socken mit der Bezeichnung „geruchshemmend“ tabu sind, darf sich die Ausstellung auf keinen Fall entgehen lassen.

Fast Fashion – Die Schattenseiten der Mode | bis 24.2.19 | Rautenstrauch-Joest-Museum | www.fastfashion-rjm-koeln.de

Lisa Thiel

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