Wenn wir so weitermachen wie bisher … stopp! Das, was auf solch eine mahnende Einleitung folgt, mag oft richtig sein. Wenn wir so weitermachen wie bisher, steuern wir auf einen Abgrund zu. Darum müssten wir, so lautet vielfach die Konsequenz, unser Fahrzeug verlangsamen, uns also in Verzicht üben, um noch vor dem Abgrund anzuhalten. Doch wollen wir das, was letztlich das Ergebnis sein würde: Stillstand?
Wie wäre es, wenn wir stattdessen das Ruder rumreißen? Wenn wir vor dem Abgrund die Richtung wechseln, vielleicht sogar eine elegante U-Kurve fahren? Freilich, vor einer Kurve muss man vielleicht etwas vom Gas gehen, aber an ihrem Scheitelpunkt beschleunigt der geübte Fahrer wieder. Wer allein mahnt: „Wenn wir so weitermachen wie bisher“, der hat Fortschritt falsch verstanden. Denn fortzuschreiten bedeutet genau das Gegenteil. Die Methode der Wissenschaft ist Vorankommen durch Irrtum. Sie behält eine Richtung nur so lange bei, bis diese sich als die falsche erweist. Dann schlägt sie eine andere ein. Dasselbe gilt für ihre praktisch veranlagte Tochter, die Technologie. Und die sieht morgen vielleicht ganz anders aus als heute.
Steuern statt Stoppen
Die Segelschifffahrt war extrem hoch entwickelt, bevor sich dampf- und später motorbetriebene Schiffe durchgesetzt haben. Noch 1902 haben moderne Ingenieure die zwei bis heute größten Segelschiffe ohne Hilfsantrieb gebaut, die Preußen und die Thomas W. Lawson, den einzigen Siebenmaster, von dem wir sicher wissen. Röhrenmonitore und -fernseher – selbst die noch Gar-nicht-so-Älteren erinnern sich – wurden bis in ihre letzten Tage immer schärfer, leichter, effizienter und billiger, bis sie von unterschiedlichen Flachbildtechnologien verdrängt wurden. Sicherlich hat es, bis sich synthetische Saiten durchgesetzt haben, äußerst virtuose Tierdarmzwirbler unter den Violinenbauern gegeben.
Das Stichwort unserer Zeit, das so schön passt zu dem Bild vom Abgrund, lautet: Wende. Energiewende, Mobilitätswende. Etymologisch damit verwandt ist der Wandel: Unsere Welt wandelt sich in Sachen Arbeit, Kommunikation, Bildung. Doch zum Wenden und Wandeln – in der Technologie nennt man das Innovation – braucht es Platz. Raum und Freiheit. Gerade dies wollen wir angesichts des drohenden Abgrunds aber oft nicht gewähren. Wer sich auf Verzicht als Lösung versteift, hat nicht nur Fortschritt falsch verstanden, sondern auch Zukunft.
Gute Technik
1970 gab es allein in Westdeutschland knapp 20.000 Verkehrstote, im vergangenen Jahr nicht einmal 2.800 auf wiedervereinigtem Gebiet. Das liegt nicht daran, dass wir uns beim Autofahren zurückgenommen hätten. Im Gegenteil: Die Zahl der zugelassenen Pkw hat sich seither fast verdreifacht. Der Dreipunktgurt, ABS, Frühwarnsysteme, Airbags, Spurhalteassistenten und viele andere Techniken haben dazu beigetragen. Als der Laser erfunden wurde, bediente Hollywood die Angstvor dem gebündelten Lichtmit der filmischen Zerschneidung von Geheimagenten. Heute operieren wir damit Fehlsichtigkeiten und Nierensteine. Das autonome Fahren wird aber sorgenvoll überreguliert und ausgebremst. Doch wer weiß, was es Gutes bringen kann?
Wer heute Wissenschaft und Technik zu stark reguliert, der meint, zu wissen, wie die Zukunft aussehen kann und muss. Der glaubt, die Welt entwickle sich auf ein Ziel zu, und da könne man nur bremsen und Leitplanken aufstellen. Das ist allerdings vermessen. Die menschliche Innovationskraft hat die Zahl der Verunglückten reduziert, nicht die der Autos. Warum sollte sie nicht auch andere, größere Probleme lösen können?
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mehr-demokratie.de | Der bundesweit vertretene Verein setzt sich ein für „direkte Demokratie, ein faires Wahlrecht, Transparenz und wirksame Bürgerbeteiligung“.
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