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Isabella Hermann
Foto: Jens Oellermann

„Die Frage, was Menschsein bedeutet“

29. August 2023

Sciencefiction-Expertin Isabella Hermann über Fiktion und Wirklichkeit – Teil 2: Interview

choices: Frau Hermann, ältere Sciencefiction-Filme spielen oft in unserer heutigen Gegenwart. Dabei verraten sie wohl mehr über die Zeit, in der sie entstanden sind als über das Hier und Jetzt. Umgekehrt: Was kann man aus aktuellen Filmen denn über die heutige Gesellschaft ablesen?

Isabella Hermann: Natürlich funktioniert so eine Analyse immer am besten in der Nachschau, eine Gegenwartsanalyse ist nicht so einfach. Trotzdem erkennen wir eine Befassung mit den großen Themen unserer Zeit wie Klimawandel und Künstliche Intelligenz (KI), die immer mit der Frage verknüpft sind, wie wir in einer zukünftigen Welt als Menschen leben werden und was Menschsein bedeutet. Sciencefiction-Geschichten, in denen sich das Klima radikal ändert und sich die Menschen in neuen Konstellationen organisieren müssen, gibt es zwar schon immer. Doch seit zwanzig Jahren etwa existiert ein eigenes Genre, die „climate fiction“, wo es explizit um den menschengemachten Klimawandel geht. KI ist auch schon lange ein Thema in der Sciencefiction, weil es schon immer die Menschen fasziniert hat, etwas zu erschaffen, was – ich sage es mal in großen Anführungszeichen – „Intelligenz“ besitzt. Das treibt uns um, eine Kreatur zu entwickeln, die selbst agiert. Gleichzeitig haben die Menschen Angst davor. Man denke mal an die Asimovschen Robotergesetze oder den Terminator. In aktuelleren Filmen wie „Ex Machina“ oder „Her“ wird verarbeitet, dass „KI“ mittlerweile längst Teil unseres Alltages ist. Trotzdem steht aber immer im Vordergrund, einfach eine spannende Geschichte zu erzählen.

Geschichten, in denen sich das Klima radikal ändert, gibt es schon immer“

Man sagt, Träume könnten die Funktion haben, uns mit unseren Ängsten zu konfrontieren, damit wir lernen, damit umzugehen. Spielt das auch bei dystopischen Filmen eine Rolle?

Ganz bestimmt, das kann man auf jeden Fall sagen! Die Frage ist eben, was Dystopien an sich bewirken und was man damit anstellen kann. Es gibt schon so eine Art „Angstlust“ und Dystopien können auch sehr unterhaltend sein. Man spricht da auch vom „Disaster-Porn“. Man muss einfach hinschauen und hat auch eine Lust an der Zerstörung oder dem negativen Umfeld, in dem sich die Personen dann bewegen müssen. Ein gutes Beispiel dafür ist „Black Mirror“. Bei dieser Sciencefiction-Serie gibt es ein paar positive Folgen, aber der Großteil der Episoden ist sehr düster. Sie spielen in der sehr nahen Zukunft und es wird immer etwas verhandelt, was uns schon bekannt ist, wie zum Beispiel ein Chip, der alle Erinnerungen aufzeichnet oder ein Tool, mit dem alle ständig bewertet werden. Das ist ins Extrem gesteigert und fast ein bisschen sensationsgeil. Man kann das gucken mit so einer Angstlust und sich gleichzeitig freuen, dass es in der Realität doch eigentlich ganz schön ist. Aber führt das dazu, dass man sein Verhalten kritisch hinterfragt? Oder ist man einfach froh, dass man es nicht so schlimm getroffen hat wie in dieser Horrorgeschichte? Das kommt wahrscheinlich auf den Einzelnen an. 

Führt das dazu, dass man sein Verhalten kritisch hinterfragt?“

Sie haben gesagt: „Wenn wir Sciencefiction als kritischen Gegenwartskommentar unserer Verhältnisse lesen, ist das politische Bildung“.

Es gibt zum Beispiel „The Handmaid'sTale“ von Margaret Atwood („Der Report der Magd“, d. Red.), diese Geschichte behandelt kritisch den Umgang mit neuen Machtkonstellationen.Da werden die Frauen quasi entrechtet und die, die in der zerstörten Welt noch Kinder gebären können, werden zu Gebärmaschinen reduziert. Das ist eine klare soziale Kritik und durch das Buch kann man da sensibler werden. Es gibt aber auch Sciencefiction, die ganz unkritisch ist und auch da ist es spannend, so etwas zu dekonstruieren. Politische Bildung geht immer in beide Richtungen.

Gibt es Sciencefiction-Filme, die uns politisch manipulieren sollen?

Oh ja, die Filme werden gerne zu Propagandazwecken genutzt. Das war auch schon so im Kalten Krieg zwischen USA und Sowjetunion, wo es auch darum ging, wer wo welche Rakete hin schießt. Das Pentagon finanziert – jetzt übrigens auch noch – zum Teil Filme, in denen das Militär sehr positiv dargestellt wird. Nicht komplett zwar, aber mit verschiedenen Tools oder Beratungsangeboten. Und die NASA ist auch mit dabei.

Steht das dann im Abspann, so wie „Diese Sendung wird unterstützt durch Produktplatzierungen“, wenn es um Schleichwerbung geht?

Auf jeden Fall wird es nicht versteckt. Bei „Der Marsianer“ gibt es eine ganze Webseite darüber, welche Technik realistisch ist und welche nicht. Wenn das Pentagon involviert ist, wird es oft nicht so öffentlich gemacht.


SCHÖNE NEUE ZUKUNFT - Aktiv im Thema

fian.de | Die in Köln ansässige NGO setzt sich international für Menschenrechte ein, vor allem für das Recht auf Nahrung.
mehr-demokratie.de | Der bundesweit vertretene Verein setzt sich ein für „direkte Demokratie, ein faires Wahlrecht, Transparenz und wirksame Bürgerbeteiligung“.
mitarbeit.de | Die Stiftung Mitarbeit möchte „Menschen ermutigen, Eigeninitiative zu entwickeln und sich an der Lösung von Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen“.

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Interview: Daniela Prüter

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