Der Auftrag aus der Chefredaktion war freundlich aber bestimmt: „Schreib mal über was, was gut läuft. Träumen ist erlaubt!“ Doch zu träumen ist nicht nötig, das Gute ist real – wird aber bekämpft: Am 26. September 2021 befürworteten in einem Volksentscheid mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner die Enteignung großer privater Wohnungsunternehmen. Über 59,1 Prozent der gültigen Stimmen votierten dafür, 40,9 Prozent lehnten das Vorhaben ab. Das, worüber damals in Berlin parallel zur Bundestagswahl und zur Wahl des Abgeordnetenhauses abgestimmt werden konnte, war ein Meilenstein demokratischer Mitbestimmung in der BRD. In dieser brisanten gesellschaftspolitischen Frage sprachen sich die Bürgerinnen und Bürger für eine Enteignung gegen Entschädigung und eine Überführung der Wohnungen in eine Anstalt des öffentlichen Rechts aus. Es kann vermutlich keinen klareren Auftrag geben, den der Souverän – die Wähler und Wählerinnen also – an sein politisches Personal erteilt!
Rückeroberung der Stadt
Was würde eine Vergesellschaftung bringen? Der Rückkauf der Wohnungen würde die Handlungsfähigkeit der Politik und der Menschen stärken. Nach allem, was in den letzten Jahren von neoliberalen Politikern von CDU/CSU über FDP bis hin zu B’90/Grüne und SPD aus dem gesellschaftlichen/staatlichen Besitz verramscht wurde – seien es Anteile der Bahn oder der Post, seien es Bauland oder Kliniken – käme die Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen einem Rollback gleich: Erstmals seit Jahren würden die Menschen dem verlogenen Narrativ etwas entgegensetzen, Privatisierungen machten alles billiger, effizienter und unbürokratischer. Und konkret für die Wohnungsfrage bedeutet der Erfolg der Initiative, dass die Rückeroberung der Stadt von den Investoren und ihren politischen Vertretern begonnen hat. Dieser Kampf ist ein Hoffnungsschimmer auf eine bessere, gerechtere Welt.
Politischer Trick gegen Bürgerinitiative
Doch wie immer in der Geschichte, wenn Menschen für eine gerechtere Welt streiten, findet dieser Kampf nicht auf Augenhöhe statt. Bis Anfang 2021 sammelte die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen 40.000 Euro durch Kleinspenden. Mit dem mickrigen Betrag finanzierten sie schlussendlich eine an der Wahlurne erfolgreiche Kampagne. Die CDU – die die Initiative rundheraus ablehnt –, erhielt in der gleichen Zeit das 20-fache; übrigens von einem einzigen Immobilieninvestor: Christoph Gröner spendete einmal 300.000 Euro und dann nochmal 500.000 an die Christdemokraten, wie jacobin.de im Februar 2021 meldete. Schon zuvor hatten vor allem Abgeordnete der CDU (selbstredend auch von der FDP) gegen den Berliner Mietendeckel von SPD, B’90/Grüne und Die Linke geklagt. Der hatte tausenden Mietern eine Entlastung bei drastisch steigenden Mieten gebracht. Der Deckel wurde dann aber vom Bundesverfassungsgericht kassiert; Eigentum gilt halt als schutzwürdiger als das Recht der Vielen auf gutes Wohnen. Doch auch die damalige rot-grün-rote Berliner Regierung unter der Ersten Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) stand der Initiative ablehnend gegenüber, mit Ausnahme des Juniorpartners Die Linke. Das Ergebnis der Abstimmung einfach untern Tisch fallen lassen, ging nicht. Also berief Giffey eine Kommission, die vor allem mit Gegnern und Skeptikern von Vergesellschaftungen besetzt wurde. Das Ziel: Mit verfassungs- und haushaltstechnischen Bedenken des Gremiums, soll das Projekt begraben werden. Unter der neuen Großen Koalition seit Beginn dieses Jahres unter dem Ersten Bürgermeister Kai Wegner (CDU) wird das auch ganz sicher gelingen.
SCHÖNE NEUE ZUKUNFT - Aktiv im Thema
fian.de | Die in Köln ansässige NGO setzt sich international für Menschenrechte ein, vor allem für das Recht auf Nahrung.
mehr-demokratie.de | Der bundesweit vertretene Verein setzt sich ein für „direkte Demokratie, ein faires Wahlrecht, Transparenz und wirksame Bürgerbeteiligung“.
mitarbeit.de | Die Stiftung Mitarbeit möchte „Menschen ermutigen, Eigeninitiative zu entwickeln und sich an der Lösung von Gemeinschaftsaufgaben zu beteiligen“.
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