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Und dann der Regen

Und dann der Regen
Spanien, Frankreich, Mexiko 2010, Laufzeit: 105 Min., FSK 12
Regie: Icíar Bollaín
Darsteller: Gael García Bernal, Luis Tosar, Juan Carlos Aduviri
>> www.und-dann-der-regen.de

Mehrschichtiges Politdrama

Kapitalistische Invasoren
„Und dann der Regen“
von Icíar Bollaín

In der an Fellinis „La Dolce Vita“ erinnernden Eröffnungsszene fliegt ein Transporthubschrauber mit einem riesigen Holzkreuz über die fruchtbaren Hänge eines seichten Andentals. Das Kreuz wird zu dem Drehort eines Filmes über den Eroberer Christoph Kolumbus geflogen. Es ist dort kein Zeichen von Frömmigkeit, sondern taucht als Instrument des Genozid an den Ureinwohnern auf: Die Filmemacher wollen nicht die heroische Entdeckung neuer Welten, sondern die brutale Unterwerfung der Ureinwohner zeigen. Der Regisseur Sebastián (Gael García Bernal) und sein Produzent Costa (Luis Tosar) kämpfen für diesen Film, doch die Dreharbeiten gestalten sich zunehmend schwierig. Weil das Budget gering ist, wird nicht an den karibischen Originalschauplätzen, sondern im günstigeren Inland Boliviens gedreht. Auch die bolivianischen Darsteller sind billiger zu haben. Hauptdarsteller Daniel (Juan Carlos Aduviri) als Anführer Hatuey der einheimischen Taino gegen die spanischen Invasoren hat aber noch ganz andere Probleme: Durch die Privatisierung der Wasserversorgung sind in seiner Heimatstadt Cochabamba die Preise für Wasser drastisch gestiegen. Es kommt zu Auseinandersetzungen, die schließlich im offenen Kampf der Demonstranten mit der Regierung kulminieren. Inmitten der Unruhen müssen Sebastián und Costa um die Fertigstellung ihres Films bangen.

Geschichte wiederholt sich
Regisseurin Icíar Bollaín („Öffne meine Augen“, 2003) verfilmt mit „Und dann der Regen“ ein Drehbuch des Mike Leigh-Drehbuchautors Paul Laverty. Anfänglich auf die historische Ebene beschränkt rückte bald der Wasserkrieg als zeitgenössische Spätfolge beziehungsweise Wiederholung der Kolonialisierung mit anderen Mitteln in das Zentrum der Geschichte. Die historischen Ereignisse wurden zum Thema des Films im Film, die Gegenwart Boliviens zur primären Erzählebene. Mit dem Wasserkrieg beschäftigte sich vor fünf Jahren auch der Dokumentarfilm „Der große Ausverkauf“. Regisseur Florian Opitz schildert darin den Kampf der Bewohner von Cochabamba um das Wasser. Die Regierung hatte die Wasserversorgung im Jahr 2000 privatisiert. Die Firma Aguas de Tunari, ein Tochterunternehmen des amerikanischen Bechtel-Konzerns, erhöhte daraufhin in kürzester Zeit die Wasserpreise um ein Dreifaches. Die spanischen Eroberer erscheinen in Sebastiáns Film grausam mit ihren Foltermethoden und Hinrichtungen. Wenn aber den Bewohnern von Cochabamba ihre Brunnen verschlossen werden, das Auffangen von Regenwasser unter Strafe gestellt wird und Demonstranten verprügelt und erschossen werden, dann relativiert sich der Abstand zwischen Mittelalter und Gegenwart. Auch Bollaín verwischt die Grenzen zwischen den Filmszenen und den Ereignissen in der Gegenwart zunehmend. Gleichermaßen wie im Filmscript wird Hatuey-Darsteller Daniel auch in der Wirklichkeit immer mehr zum Anführer und Märtyrer. Das kulminiert beim Dreh einer Kreuzigungsszene mit brennendem Scheiterhaufen, die direkt in die Verhaftung durch die Polizei von Cochabamba übergeht, während im Hintergrund noch die Scheiterhaufen der Dreharbeiten qualmen. Die Film im Film-Konstruktion bringt viele Parallelen der beiden Handlungsstränge zutage. Deren simpelste Gleichung ist: Die Invasoren von heute sind kapitalistische Großkonzerne.

Doppelhelix der Geschichte
Die heutige Situation in Lateinamerika – 500 Jahre nach der Eroberung durch die Spanier und Portugiesen – scheint dieses mehrschichtige Erzählen zu fordern. Marco Bechis eröffnete 2008 seinen Film „Birdwatchers“ über einen Aufstand der indigenen Bevölkerung mit einer beeindruckenden Szene: Touristen befahren einen Flussarm, als am Ufer Indianer auftauchen und die Besatzung mit einem Speerwurf erschrecken. Dann begleitet die Kamera die abziehenden Indianer, wie sie durch den Urwald bis zu einem Lieferwagen gehen und dort ihr Geld für die touristische Schauspieleinlage abholen. In „Und dann der Regen“ gibt es eine Szene im Hotel, wo ein angetrunkener Darsteller die einheimischen Dienstboten als Statisten für seine Rolle missbraucht und zwecks Sprechprobe wie vor 500 Jahren behandelt. Die Dreharbeiten zu dem Film im Film sind dann auch das Bindeglied zwischen den beiden Geschichten der Doppelhelix: dem historischen Kampf und dem der Gegenwart. Bei den Dreharbeiten wird das Verhältnis der Filmemacher zu den Einheimischen und das Verhältnis der Geschichte zur Gegenwart diskutiert – die Frage, ob ein kritischer Film zur Historie wichtiger ist als die Kritik vor Ort in der Gegenwart. Bei all dem kommen die Details auf allen Ebenen etwas kurz. Sowohl die Eroberung der Spanier und der Einsatz einiger Priester für die Indianer als auch die Hintergründe für den Wasserkrieg müssen in nur 100 Minuten vage bleiben. Und auch an den vielfältigen Wandlungen der Protagonisten – von Daniel, Sebastián und Costa – trägt der Film schwer. Doch bei aller Dichte und Komplexität der Themen gelingt es dem Film dennoch auf beeindruckende und einfühlsame Art, das Gesamtbild einzufangen.

Berlinale 2011: Panorama Publikumspreis

(Christian Meyer)

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