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Soul Kitchen

Soul Kitchen
D 2009, Laufzeit: 100 Min., FSK 12
Regie: Fatih Akin
Darsteller: Adam Bousdoukos, Moritz Bleibtreu, Birol Ünel,, Anna Bederke, Lucas Gregorowicz, Demir Gökgöl, Wotan Wilke Möhring, Pheline Roggan, Dorka Gryllus

Es grenzt schon an ein Wunder, dass Zinos seinen Instant-Soul-Food-Tempel in einer verrockten Industriebrache ans Laufen bringt. Doch dann droht eine feindliche Übernahme durch einen Immobilienhai. Es gibt sie, diese Filmszenen, die aufgrund ihrer abgrundtiefen Mischung aus Lust und Frust und Liebe und Leid und nicht zuletzt ihrer rettungslosen Kneipenromantik einen unbändigen Durst entfachen: Da ist Zinos, der mit Herzblut eine kleine, aber gemeine Taverne gezimmert hat und trotzdem erfahren muss, dass seine Freundin die große weite Finanzwelt seinem alternativen Mikrokosmos vorzieht. Und da ist Lucia, Zinos Kellnerin, die sich in ihrer gähnenden, nichtsdestotrotz zupackenden Nonchalance auch noch in dessen nichtsnutzigen Bruder Illias verguckt hat, der die Große Freiheit allerdings nur auf Freigang erleben darf. Ernsthafte Gründe also, um sich bedingungslos die Kante zu geben – zumal der „Soul Kitchen“ trotz eines genialen Kochs das Ende blüht, weil ein ehemaliger Schulfreund Zinos mittlerweile auch dem schnöden Mammon erlegen ist und als Immobilienhai längst den wahren Wert der Industriebrache für sich taxiert hat. Und dann ist da noch diese Schänke, nein, nicht das „Soul Kitchen“, sondern die berühmt-berüchtigte „Astra-Stube“, die diese kathartische Szene sozusagen als Gaststar beherbergen darf und in mir ob ihrer abgrundtiefen Mischung aus Lust und Frust und Liebe und Leid und nicht zuletzt ihrer rettungslosen Kneipenromantik den dringlichen Wunsch wach ruft, meine Nachtmähre zu satteln, dem Albgaul die Sporen zu geben, um den Tag zur Nacht zu machen und dieser Tränke die letzte Ehre zu erweisen. Denn am 31.12. ist Schicht im Schacht. Die Bahn will die Statik der Sternbrücke überarbeiten und hat dementsprechend sämtlichen Clubs in den Kasematten das Mietverhältnis aufgekündigt. Welch niederschmetternde Duplizität der Ereignisse: hier das abgezockte „Soul Kitchen“, dort die überrollte „Astra-Stube“. Führt man sich dann noch die Initiative „Not In Our Name, Marke Hamburg“ vor Augen, mit dem sich die Hamburger Künstlerszene energisch gegen die „Turbo-Gentrifizierung“ zur Wehr setzt, erhält Akins Weihnachtsklamotte, die zunächst allein von der überbordenden Spielfreude ihrer grandiosen Schauspieler (u.a. Moritz Bleibtreu, Interview Roter Teppich S.20) getragen scheint, doch noch eine überaus ernste Note. Im Zuge der These des US-Ökonoms Richard Florida, dass nur „die Städte prosperieren, in denen sich die 'kreative Klasse' wohlfühlt“, setzen unsere „pulsierenden Metropolen“ verstärkt auf die Instrumentalisierung der Kunst, um über Jahre gewachsene Szene-Viertel mittels wohldosierter Hot Spots als attraktiver Staffage in lukrative Investitionsräume umzuwandeln. Insofern entpuppt sich Akins köstlich überdrehte Komödie gar als Aufruf zum Widerstand für ein alternatives Leben in Eigenregie – der im Falle der „Astra-Stube“ tatsächlich von Erfolg gekrönt wurde. Die Mietverträge der Clubs an der Sternbrücke sind soeben ein letztes Mal bis 2013 verlängert worden. Na, das ist doch, zumindest vorübergehend, mal ein Gefühl wie Weihnachten und Ostern zusammen.

(Lars Albat)

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