Science of Sleep - Anleitung zum Träumen
Frankreich 2006, Laufzeit: 106 Min., FSK 6
Regie: Michel Gondry
Darsteller: Gael García Bernal, Charlotte Gainsbourg, Alain Chabat, Miou-Miou, Emma de Caunes, Aurélia Petit, Sacha Bourdo
Stéphane kehrt nach langer Zeit für einen Job in seine Heimatstadt Paris zurück. Dort begegnet er Stéphanie, in die er sich verliebt. In seinen Träumen weiß er, wie er sie für sich gewinnen kann, aber wie soll er sich ihr im wirklichen Leben nähern? Kindlich-versponnene LiebeskomödieMichel Gondry völlig entfesselt: In einem ästhetischen Gemischtwarenladen aus sympathischer Independentkino-Romanze, surrealer Augsburger Puppenkiste und pointierten Taktlosigkeiten erzählt der französische Regisseur turbulent und visuell außerordentlich einfallsreich die Geschichte von Stéphane, der für einen neuen Job als Grafiker nach Paris kommt. Neben ihm zieht die sympathische Stéphanie ein, die ihn mit ihren phantasievollen Ideen sofort fasziniert. Gemeinsame Nachmittage verbringen sie mit dem Basteln ungewöhnlicher Objekte. Doch wie soll er ihr seine Liebe offenbaren? Im wirklichen Leben ist er schüchtern und etwas versponnen, in seinen Träumen allerdings erweist er sich als pragmatisch und heldenhaft. Die Frage ist, wie man die Errungenschaften der Träume in die Wirklichkeit hinüberretten kann? Denn dort herrschen andere Gesetzte. Oder doch nicht? Selbstverteidigung im TraumMichel Gondrys dritter Spielfilm ist ein Plädoyer für die Missachtung der schnöden Wirklichkeit und eine Ode an das Unterbewusste. Dass Gondry hemmungsloser Anhänger des Infantilen ist, belegt nicht nur sein autobiographischer Dokumentarfilm "I've been 12 forever" aus dem Jahr 2003 (zu finden auf der prallen DVD-Compilation "The Work of Director Michel Gondry") sondern auch der Style seiner Do it yourself-Special-Effects in "Science of Sleep". Der Film offenbart die kindlich verspielte Welt eines Regisseurs, der in seinen bisherigen Hollywood-Produktionen viele, aber anscheinend nicht alle Freiheiten genießen konnte. Sein erster in seinem Heimatland Frankreich gedrehter Spielfilm scheint aber trotzt der Stars Gael Garcia Bernal und Charlotte Gainsbourg komplett frei von Produzentendruck entstanden zu sein. Eine solche Melange aus Absurditäten und selbstgebasteltem Setting kann nicht auf kommerziellen Erfolg angelegt sein. Das ist interessant für einen Regisseur von Werbe- und Musik-Clips, der wahrscheinlich vielen erst seit seinem Erfolg mit dem großartigen Spielfilm "Eternal Sunshine of a Spotless Mind", in Deutschland schnöde übersetzt mit "Vergiss mein nicht", bekannt ist. Dort sah man Jim Carrey und Kate Winslet in einem zwar erzählerisch tollkühnen, technisch aber perfektem Film ihren Erinnerungen hinterher jagen. Gondry ist schon seit über 20 Jahren als Filmemacher beschäftigt. Angefangen hat er mit kleinen Animationsfilmen in Stop-Motion Technik. Selbstgebasteltes war hier allgegenwärtig. Als Gondry Ende der 80er Jahre anfing, Music-Clips zu drehen, war es kein allzu weiter Weg mehr zu seinen fantasievollen Videos für Björk, Daft Punk oder den White Stripes, die technisch immer aufwändiger wurden. Reine Werbeaufträge, darunter der meist ausgezeichnete Werbefilm aller Zeiten - "Drugstore" für Levis - folgten. Im Chaos verflüchtigenDie Videos enthalten bereits vielfach Gondrys Lieblingsthema - den Traum. Nicht zuletzt in dem legendären Clip zu "Everlong" von den Foo Fighters träumt sich ein Mann in den "The Evil Dead"-Traum seiner Freundin, um sie dort zu retten. Und zwar mit ebenjenen überdimensionalen Händen, die der schüchterne Stéphane in "Science of Sleep" für seine Selbstverteidigung im Traum benutzt. Es ist in vielerlei Hinsicht offensichtlich, dass Stéphane ein Alter Ego von Gondry ist und der Film autobiografische Züge trägt. Das geht soweit, dass er stilistisch an seine früheren Arbeiten anschließt, sie gar zitiert und die von Hollywood geforderte technische Perfektion missachtet und radikal durch den DIY-Modus von Pappmaché-Bauten und Watte-Wolken ersetzt. Auch in die Geschichte um die sympathischen, allzu menschlichen Protagonisten bringt er ganz subjektiv eigenes Erleben zwischen Traum und Wirklichkeit ein. Da darf und muss auch mal die innere Logik abhanden kommen und sich im freien, fantasievollen Chaos verflüchtigen.
(Christian Meyer)
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