
Morgen ist auch noch ein Tag
Italien 2023, Laufzeit: 105 Min., FSK 12
Regie: Paola Cortellesi
Darsteller: Paola Cortellesi, Valerio Mastandrea, Romana Maggiora Vergano, Emanuela Fanelli, Giorgio Colangeli
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Starkes Drama zu häuslicher, männlicher Gewalt
Zuhause, im Krieg
„Morgen ist auch noch ein Tag“ vom Paola Cortellesi
In Zeiten, in denen in Italien und Deutschland jährlich über hundert Femizide registriert werden, und der Mord an der Frau, die bloß stirbt, weil sie eine Frau ist, vor allem in den eigenen vier Wänden verortet ist, in diesen Zeiten entführt uns die italienische Schauspielerin Paola Cortellesi in ihrem Regiedebüt ins Rom des Jahres 1946. Krieg und Faschismus sind überwunden, das Leben birgt neue Hoffnung, doch die Gewalt bleibt: Daheim bei Delia (Cortellesi) setzt es Hiebe. Die Mutter dreier Kinder ist den Launen ihres Gatten Ivano (Valerio Mastandrea) ausgesetzt, nebenan im Zimmer darbt Ivanos pflegebedürftiger Vater und versorgt seine jugendliche Enkelin Marcella (Romana Maggiora Vergano) mit großväterlichen Ratschlägen: „Du musst lernen, den Mund zu halten.“ Delia nimmt die Repressalien hin und widmet ihren Optimismus den Kindern. Kommt es hart auf hart, verteidigt sie sogar die häusliche Gewalt, der Patriarch ist nun einmal angespannt wegen der zwei Kriege. Während die zwei kleinen Brüder bereits fortgeschritten sexistisch und rassistisch gedrillt sind, begehrt Marcella auf. Und auch in ihrer Mutter brodelt es: Inwiefern kann und vor allem will Delia dem Kreislauf von Gewalt und Verachtung entkommen?
Paola Cortellesi zehrt von Geschichten ihrer eigenen Großmütter und hat dabei erzählerisch deutlich die Vorbilder des italienischen Neorealismus vor Augen. Das Ergebnis ist ein Schwarzweiß-Drama mitten aus dem Leben, wahrhaftig, zeitlos, identifikationsstiftend. Zugleich durchkreuzt die Regisseurin inszenatorisch die Kunstform, die sie inspiriert hat: Stummfilm, Tanztheater oder Musical-Einlage, schwülstiger Schlager, seichte Soap und kruder Rap – Cortellesi streut durchweg Brüche, Verfremdungen und surreale Elemente ein. Das wirkt mal erfrischend unkonventionell und mal unentschlossen. Dazu passt auch, dass sich die Erzählung von Cortellesi und ihren Co-Autor:innen zum Ende hin als etwas wackelig erweist, wo die Geschichte einerseits einen starken Twist auffährt, dieser aber an sich gar nicht nötig ist und in seiner Konstruktion Logiklöcher aufweist. Stark, erschreckend und geradezu entlarvend wiederum erscheint der Einsatz von italienischer Schlagermusik: Textzeilen wie „Morgen kommt das große Glück“ oder „Verzeihen wir uns“ erscheinen im Rückblick geradezu propagandistisch als männlich kreierter Durchhalteschwulst für Frauen, die männlicher Gewalt ausgesetzt sind.
„Morgen ist auch noch ein Tag“, der 2023 mit über fünf Millionen Ticketverkäufen der erfolgreichste italienische Film des Jahres war, ist mal albern, mal stark, in seiner Analyse und Direktheit entlarvend und berührend. Und bei aller Verfremdung dockt Cortellesi am Ende wieder ganz und gar beim italienischen Neorealismus an – durch die Zeitlosigkeit ihrer Geschichte.
(Hartmut Ernst)

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