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Little Voice
Großbritannien 1998, Laufzeit: 96 Min.
Regie: Mark Herman
Darsteller: Brenda Blethyn, Jane Horrocks, Michael Caine,, Jim Broadbent, Ewan McGregor, Annette Badland, Philip Jackson

Und erneut feiert das britische Kino ein prächtiges, derb-herzliches und zärtlich-romantisches Stück Leinwandzauber, bei dem sich Familiengeschichte, Musikfilm und Liebesdrama zu einer unwiderstehlichen Melange verbinden. Das hat schon Tradition - von "Quadrophenia" über "The Comittments" bis zu "Hear My Song", "Brassed Off" und "Still Crazy" - und das kann auch Regisseur Mark Hermann hervorragend. Doch vor allem sind es hier die Darsteller, die dieses wunderbare Kleinod über die Höhen und Tiefen des Kleinstadt-Showbusiness zu einem Ereignis machen. Jane Horrocks spielt die in der Kindheit durch den Tod ihres Vaters schwer traumatisierte Laura, die nur Glück findet, wenn sie die Platten des Vergötterten hört. Dann ist da ihre laute, ordinäre Mutter Mari - Brenda Blethyn erhielt für diese Rolle völlig zu Recht eine Oscar-Nominierung -, die ihre in Stummheit und Abkapselung geflüchtete Tochter nur "L.V." ("Little Voice") nennt. Und dann tauchen Billy (Ewan McGregor), ein schüchterner junger Mann, und Ray Say (Michael Caine), ein "Impresario", im Leben der beiden auf, und das Gefühls- und Musikkarussell in einem kleinen englischen Seebad beginnt sich munter zu drehen. "L.V." hat sich eine eigenwillige Form des Gebets an ihren Vater angeeignet: sie kann die Songs und Stimmen von den alten Schellack- und Vinylscheiben perfekt imitieren. Sie spricht zwar nicht und flüchtet auf ihr Zimmer, wenn Fremde ins Haus kommen. Aber eines Abends hört Ray Judy Garland, Marlene Dietrich und Marilyn Monroe in perfekter Performance aus der Dachkammer klingen. Ein gefundenes Fressen für den schmierigen "Talentsucher". Es dauert ein Weilchen, bis er die verschüchterte junge Frau auf die Bühne von "Mr. Boo's" Varieté-Schuppen gelockt hat, doch dann wird's ein Triumph. Mari und Ray sehen sich schon in Saus und Braus leben und fiebern einträglichen Auftritten in London und Las Vegas entgegen. Aber das gebrochene Herz des außergewöhnlichen Gesangs-Talentes läßt alle hochfliegenden Pläne an der traurigen Realität zerschellen. "L.V." kann nur für ihren Vater singen, fürs Showbusiness ist sie wahrlich nicht geeignet. In einer heftigen Auseinandersetzung mit der Mutter, mit der sie sich schreiend von der ganzen Qual befreit, kommt sie endlich zu sich selber - und auch der stille Billy vermag ihr vielleicht weiterzuhelfen. Eine Geschichte, die alle Qualitäten für sinnliches, witziges, gefühlsstarkes Kino erfüllt. Wie in Peter Chelsoms "Funny Bones" schlägt das Herz des Zuschauers für einen Menschen, der einen unermeßlichen Schatz in sich trägt, diesen aber allein für das starke Gefühl der Liebe bewahrt und sich um seine kalte, gewinnträchtige Ausbeutung nicht schert. Es war immer schon eine der schönsten Filmerlebnisse, wenn dieser Sieg des Guten das gefühlsselige Happy End bestimmt, das unwiderruflich kommt - trotz aller Katastrophen, die den Zuschauer bis zum Schluß bangen und zittern ließen. "Little Voice" ist eine einzige Apotheose dieser starken Momente des Kinos, ein Glücksfall, mit dem sich die eigenständige Qualität eines europäischen Produktionslandes nachhaltig bestätigt.

(Heinz Holzapfel)

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