Killers of the Flower Moon
USA 2023, Laufzeit: 206 Min., FSK 12
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Robert De Niro, Jesse Plemons
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Der Pate
Matt513 (266), 18.02.2024
Vielleicht habe ich Scorsese in den letzten Jahren Unrecht getan, wenn ich sein jeweils aktuellstes Werk nicht im Kino anschaute. Gut waren sie, handwerklich ohnehin über jeden Zweifel erhaben, aber ich vermisste stets das Moment, welches das Filmerlebnis nachhaltig beeindruckend machte. Allerdings, bei The Departed, als letzten im Kino gesehen, empfand ich das ebenso.
Es wäre aber einfach unverzeihlich gewesen, auch diesmal wieder so zu verfahren. Trotz Überlänge – diesem hier, nach wahren Begebenheiten, ist definitiv die große Leinwand bestimmt.
Zu Beginn überraschte es zu erfahren, der Stamm der Osage hätte durch die Ölvorkommen auf seinem Territorium eine Weile lang zu den wohlhabendsten Gemeinschaften des jungen Landes gehört. Ebenso, daß die Osage in die neu entstehende Gesellschaft assimiliert waren. Ich hätte gedacht, sie wären sofort enteignet und dann segregiert worden. Indes täuschen diese frühen Bilder unbeschwerten Zusammenseins. Beidseitiger Argwohn, ja auch Rassismus prägt die Gesellschaft der jungen Nation, was in Haß und einseitige Gewalt umschlägt. Am Rande nimmt der Film hier Bezug auf das Massaker von Tulsa. Und den Osage ist der Zugriff auf ihr Vermögen nur via amtlich bestellte Vormunde gestattet. Sie werden als de facto geschäftsunfähig behandelt, was Rassismus in perfider Form ist. In einer Szene blickt die Kamera mit den Augen der Hauptfiguren auf entgegenkommende Passanten und deren Blicke durchbohren einen. Das Böse ist förmlich greifbar. Akustisch wird die Bedrohung durch düstere Basslinien transportiert. Und ja, siehe oben, es macht einfach einen Unterschied, ob ein Film im großen Kinosaal seine Magie entspinnen darf oder ihm dies auf der kleinen Mattscheibe versagt bleibt. Daß mich seine Zutaten so beeindruckten, lag ganz gewiß daran. Neben Scorseses meisterlicher Regie verdient auch das Casting großes Lob, denn die Schurken im Film sind gut ausgewählt. Sie wirken schon rein optisch allesamt wie grobe Drecksäcke oder Kriminelle. Langweilig wird’s also nicht in über 3 Stunden, gleichwohl der Film sich manchmal schon Zeit für die eine oder andere wahre Episode nimmt.
Es war diese Szene, die für mich den Film zu einem großartigen machte: Auf einer Versammlung der Osage berichtet einer von ihnen, er habe am Boxeraufstand teilgenommen; dort hätten sie ihre Gegner wenigstens sehen können. Im Hier und Jetzt würden die Seinen jedoch von einem Feind heimgesucht, der unsichtbar sei. Große Verzweiflung spricht aus seinem leidenschaftlichen Vortrag. Es ist dieser krakengleiche Feind, omnipräsent und doch ungreifbar, der Gräber plündert und kaltblütig tötet. Über diese Szene, stellvertretend für das unsägliche Schicksal der amerikanischen Ureinwohner überhaupt, welches mich seit jeher betrübt, kamen mir die Tränen.
Gleichwohl hat der Film unter indigenen Amerikanern, speziell jenen vom Stamm der Osage gemischte Reaktionen hervorgerufen, die die Erwähnung ihrer Kultur im Film nicht auf eine Geschichte von Verfolgung und Auslöschung reduziert sehen wollen. So ist Scorseses neuestes Werk am Ende eher so etwas wie ein Mafiafilm geworden, angesiedelt in der Neuen Welt, der durchaus auch den weiteren Bogen zum Thema spannt, etwa durch die Erwähnung von Geheimbünden, deren Codex dem der 'Ehrenwerten Gesellschaft' nicht unähnlich ist. Wer hier bisher Vorbehalte gegen einen Kinobesuch wegen des vermeintlichen Genres eines Westerns hatte, sollte sich eine der letzten noch bleibenden Chancen nicht entgehen lassen. Es ist nämlich keiner. Scorsese zelebriert Erzählkino alter Schule, prächtig ausgestattet, ohne Pathos; ein großer Wurf.
Zum Schluß noch ein Wort zur weiblichen Hauptrolle; insgesamt habe ich im laufenden Kinojahr noch keinen klaren Favoriten für den Oscar gesehen. Gladstones Spiel, fand ich, verdiente jederzeit Anerkennung, aber drängte sich für mich nicht als klarer Sieger auf. Dasselbe allerdings täte ich auch über Hüller schreiben, gleichwohl ihre bloße Nominierung einen natürlich schon freut. Man wird sehen, wie die Academy entscheidet.
Scorsese kann es noch
Raspa (391), 30.10.2023
Warum sind es fast immer die italienisch-stämmigen Regisseure, die diese überlangen Epen drehen, also Leone, Coppola und Scorsese? Von denen ist letzgenannter der, nun ja, letzte Mohikaner ( immerhin geht es ja hier um Native Americans ), und man muss sagen: Ja, er kann immer noch 200 Minuten so füllen, dass man sich nie wünscht, jetzt möge er aber bitte mal zum Ende kommen. Natürlich hat er auch ein fabelhaftes Trio in den tragenden Rollen: De Niro als angeblicher Indianerfreund, der mit Bibelsprüchen auf den Lippen eiskalt über Leichen geht, um an das Ölgeld des Osage - Stammes zu gelangen. DiCaprio als sein willensschwacher Neffe Earnest, dem es nie gelingt, sich der furchtbaren Umarmung seines habgierigen Onkels zu entziehen. Und Lily Gladstone als Molly, die sich mit ihrer Stammesfamilie eng verbunden fühlt, zugleich aber Earnest, ihren weißen Mann, lange aufrichtig liebt, die daher in einer schrecklichen Zwickmühle lebt und zugleich sehr kontrolliert und doch leidenschaftlich wirkt. Sehr gut hat mir zuletzt auch der Epilog gefallen, der das, was nach der eigentlichen Handlung geschieht, nicht, wie sonst üblich, als Texteinblendung nachreicht, sondern in Form eines für die 40er und frühen 50er Jahre typischen Hörspiels, in denen den Hörern an den Rundfunkgeräten "true crime stories" mit allerlei Effekten präsentiert wurden, darbietet.
Insgesamt also endlich mal wieder ein Film, den man wirklich nicht verpassen sollte. Dringende Empfehlung!
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