In Zeiten des abnehmenden Lichts
Deutschland 2017, Laufzeit: 101 Min., FSK 0
Regie: Matti Geschonneck
Darsteller: Bruno Ganz, Hildegard Schmahl, Sylvester Groth
>> www.inzeitendesabnehmendenlichts.x-verleih.de/
Tragikomödie
Unbeschwerte Schwere
„In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Matti Geschonneck
Interview mit Regisseur Matti Geschonnek
Wilhelm Powileit (Bruno Ganz) wird heute 90 Jahre alt, und er hat eine entsprechend gefestigte Meinung: „Ich bin ein bisschen Plemplem, aber ich weiß, wo es langgeht. Nämlich abwärts.“ Wilhelm ist Stalinist, und da heiligt der Zweck die Mittel, sprich: Der Staat darf auch mal durchgreifen. Der Staat, das ist die DDR, die er mit aufgebaut und vierzig Jahre mitgetragen hat. Heute, an seinem Geburtstag, wird man ihm dafür den Stern der Völkerfreundschaft in Gold verleihen. Nur, was ist das alles wert, wenn es nur noch abwärts geht mit der Deutschen Demokratischen Republik im Spätherbst 1989? Entsprechend grantig empfängt der Genosse seine Gratulanten. Und während die Offiziellen mit ihren Blumensträußen noch glimpflich mit Spott davonkommen – „Bring das Gemüse auf den Friedhof!“ – überschüttet er seine Familie mit tiefer Verachtung. Allen voran seinen Stiefsohn Kurt (Sylvester Groth), nachhaltig gezeichnet von seiner Nachkriegs-Lagerhaft, dessen Frau Irina (Evgenia Dodina), gezeichnet vom Alkohol, und dann natürlich Charlotte (Hildegard Schmahl), Wilhelms Gattin, gezeichnet von Wilhelm. Was der Patriarch dabei noch gar nicht weiß: Kurts Sohn Sascha hat gestern rüber gemacht.
Um das gleich vorwegzunehmen: Dem Drama, das sich des gleichnamigen Romans von Eugen Ruge annimmt, vertieft nicht die Vergangenheit, aus der so mancher Konflikt zwischen Wilhelm und seiner Sippe erwachsen ist. Inwiefern hier politische Haltung die familiäre Bindung zerstört hat, lässt sich nur erahnen. Charlotte sagt irgendwann: „Ich hätte gern ein anderes Leben gehabt“ – warum dem so ist, weiß letztlich nur der Roman. So erfährt man nur am Rande, dass Wilhelm und Charlotte 1939 nach Mexiko gegangen sind, nach acht Jahren zurückkehren, dass er ihre Söhne nicht respektiert und davor Angst hat, dass sie ihn eines Tages vergiftet. Kurt ist einerseits traumatisiert und bekümmert, aber auch Ehebrecher. Das alles bleibt bloß skizziert und greift emotional wenig, doch jetzt endlich das große Aber: Das macht eigentlich fast gar nichts.
Denn es macht einfach sehr viel Spaß, diesem tragikomischen Treiben dort zu folgen. Requisite und Kostüm leisten ganze Arbeit, die Kamera würdigt kleinste Gesten und Details, wenn Wilhelm in der Villa wettert. Regisseur Matti Geschonneck („Moebius“, „Boxhagener Platz“) gelingt ganz unverkopft und ohne filmmusikalische Unterstützung ein stimmiger Balanceakt, wenn er kaum wahrnehmbar überzeichnete Loriot-Figuren auf tragisch beschlagene Charaktere treffen lässt. Geschonneck schafft dabei eine unbeschwerte Schwere, die selten anzutreffen ist im aktuellen deutschen Film. Unter den Schauspielern überzeugen vor allem Sylvester Groth und Hildegard Schmahl, die beide besonders zerrissene Figuren verkörpern. Bruno Ganz indes sorgt schrullig verbittert für zitierwürdige Oneliner. Und das Portrait der Besucherschaft bildet einen amüsanten, augenzwinkernden Abgesang auf den Irrwitz DDR. Und auch da weiß Wilhelm natürlich, warum es abwärts geht: „Das Problem sind die ‚tschows‘.“
Schlechte Zeiten?
Merz im März und ernste Kost im Kino – Vorspann 03/25
Mit Trauer umgehen
„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25
Gute Zeiten
Wie lang darf ein Film sein? – Vorspann 02/25
Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25
Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25
Bolero
Start: 6.3.2025
Das kostbarste aller Güter
Start: 6.3.2025
Flow
Start: 6.3.2025
Mickey 17
Start: 6.3.2025
Für immer hier
Start: 13.3.2025
Köln 75
Start: 13.3.2025
Das Licht
Start: 20.3.2025
The Last Showgirl
Start: 20.3.2025
I Like Movies
Start: 27.3.2025
The End
Start: 27.3.2025
Parthenope
Start: 10.4.2025
Oslo Stories: Liebe
Start: 17.4.2025
Quiet Life
Start: 24.4.2025
Volveréis – Ein fast klassischer Liebesfilm
Start: 1.5.2025
Oslo Stories: Träume
Start: 8.5.2025
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Oslo Stories: Sehnsucht
Start: 22.5.2025
Das Kanu des Manitu
Start: 14.8.2025
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24