Frost/Nixon
USA 2008, Laufzeit: 122 Min., FSK 6
Regie: Ron Howard
Darsteller: Michael Sheen, Kevin Bacon, Frank Langella, Rebecca Hall, Toby Jones, Matthew Macfadyen, Oliver Platt, Sam Rockwell
1977 sagt Ex-US-Präsident Richard Nixon einem episch angelegten Interview zu, in dem er sich den zunehmend kritischen Fragen des englischen Journalisten David Frost stellt. Der Film erzählt von den Stationen dieses geschichtsträchtigen Events.
Eigentlich war David Frost Komiker und Satiriker. Er schaffte es ins Fernsehen, wetterte in den frühen 60ern in der BBC aufmüpfig gegen die britische Politik, bis die Sendung abgesetzt wurde. Mit dem gleichen Sendeformat streckte er seine Fühler nach Amerika aus, experimentierte mit neuen Sendeformaten, interviewte in seinen Shows die Rolling Stones, die Bee Gees und Richard Burton. Ambitioniert und flexibel landete und scheiterte er mit seinen Programmideen in England, Amerika und Australien. So wäre es mit dem standhaften Stehaufmännchen vielleicht endlos weitergegangen, hätte Frost nicht eines Tages Richard Nixon im Fernsehen gesehen, wo der ihn magisch faszinierte. Frost setzte sich in den Kopf, den ehemaligen Präsidenten zu interviewen. Dieser war 1974 auf dem Höhepunkt seiner Politikerkarriere über Watergate gestolpert, musste zurücktreten und nie Rechenschaft ablegen, weil er von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigt wurde. Als Frost zum gut bezahlten Interview lud, witterte Nixon die Chance, sein beschmutztes Image wieder schön zu reden. Frost ging es vor allem um Erfolg in den Staaten. Doch dafür benötigte er ein Schuldeingeständnis des gefallenen Politikers. 1977 trafen sich die beiden Männer zu einem zwölftägigen Talk-Marathon. Die Fernsehausstrahlung verbucht bis heute die höchste Sehbeteiligung für eine Interviewsendung in der amerikanischen TV-Geschichte.
Das Theaterstück „Frost/Nixon“ bildet die Grundlage für Ron Howards gleichnamige Verfilmung. Die beiden Kontrahenten werden, wie auf der Bühne, von Michael Sheen (Frost) und Frank Langella (Nixon) verkörpert. Der Film nähert sich dem Thema überaus spannend und vielschichtig: Howard portraitiert nicht nur seine beiden eigensinnigen Kontrahenten, er beleuchtet vor allem die Mechanismen von Macht, Politik und Medien, die das Aufeinandertreffen von Frost und Nixon prägten. Das Interview ist für beide Männer zukunftsentscheidend, und wenn sich ihre Teams formieren, Strategien erarbeiten, frontal angreifen oder dezente Verbalattacken vorbereiten, bekommt man mehr als einmal eine Ahnung davon, wie es heute hinter den Kulissen von fernsehtauglichen Politikerdebatten hergehen muss.
„Frost/Nixon“ ist mehr als ein Zwei-Personen-Stück – auch die Hintermänner sind prominent besetzt: Kevin Bacon und Toby Jones als Nixons Berater treten an gegen Oliver Patt, Sam Rockwell und Matthew Macfadyen, die Frost den Rücken freihalten. Damit bekommen auch die Figuren, die vor 30 Jahren im Hintergrund blieben, Gesichter und Gewicht. Und der Film erhält dadurch Kurzweil. Während sich die Duellanten mehr oder weniger konzentriert auf die Konfrontation vorbereiten, ziehen ihre Wegbereiter Informationen an Land, recherchieren und legen Finten aus.
Howard erzählt davon mit Tempo und Witz, ohne dabei die Dramatik zu schmälern und den Blick aufs Wesentliche zu verlieren. Hier ein Einblick in Strategie, dort eine Lektion in die Macht der Medien: Sowohl Nixon als auch Frost hatten ihre Karriere nicht zuletzt dem Fernsehen zu verdanken. Nun sollten sie erfahren, wie vernichtend eine Großaufnahme sein kann und wie ein Bänderwechsel das Gespräch zu manipulieren vermag. Die Fernsehkamera spielt in diesem Drama die dritte Hauptrolle.
Noch vor Frost, der selbst von den eigenen Leuten unterschätzt wird und sich vom verkannten Boulevard-Journalisten zum ebenbürtigen Gegner Nixons mausert, bildet Nixon die schillerndste Figur in diesem Interview-Thriller. Langella mimt einen demokratischen Machtpolitiker, der über lange Zeit siegesgewiss, gewissenlos und erhaben das Tempo und die Inhalte seiner TV-Auftritte bestimmt. Ein intelligenter, äußerlich gelassener Redner, der mit reinem Gewissen sein Moralgerüst verteidigt, der den Kampf, die Herausforderung sucht. Und der für die gute Sache eigene Regeln und Freiheiten für sich beansprucht, die mit Demokratieverständnis nichts mehr zu tun haben. Das mag an den scheidenden amerikanischen Präsidenten erinnern, dem Oliver Stone gerade ein demaskierendes, filmisches Denkmal („W“) gesetzt hat, ohne dabei George W. Bush gewollt überspitzt vorzuführen. Stone orientiert sich an der Wirklichkeit, und die reicht ja mitunter schon zur Satire.
Howard setzt ebenso auf Unverfälschtheit. Er nimmt seine Figuren ernst und respektiert sie. Und so enthüllt er Nixon. Nicht nur dahingehend, dass dessen Maskerade zerbricht. Der Film ergründet Nixon auch psychologisch. Das führt am Ende soweit, dass man gar Verständnis für seine Haltung aufbringen kann, weil Langella seiner Figur trotz aller Makel Aufrichtigkeit verleiht. Und das ist, auch im Hinblick auf zeitgenössische Politiker, so genial wie erschreckend.
(Hartmut Ernst)
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