Die Welt der Wunderlichs
Deutschland, Schweiz 2016, Laufzeit: 103 Min., FSK 0
Regie: Dani Levy
Darsteller: Katharina Schüttler, Ewi Rodriguez, Peter Simonischek
>> www.dieweltderwunderlichs.x-verleih.de
Turbulente Tragikomödie
Die Psycho-Familie
„Die Welt der Wunderlichs“ von Dani Levy
Interview mit Regisseur Dani Levy.
Seit „Das Leben ist zu lang“ aus dem Jahr 2010 hat Dani Levy („Alles auf Zucker“) keine Spielfilmregie mehr übernommen. Sechs Jahre später ist er nun mit „Die Welt der Wunderlichs“ zurück, und es geht in der Tat recht wunderlich zu in dieser Tragikomödie, die sich als eine Art Ensemble-Roadmovie im Stil von „Little Miss Sunshine“ entpuppt. Es ist nicht nur das komplizierte Familienleben, das die Handlung in beiden Fällen dominiert, sondern auch das Ziel, für das man sich - mal mehr, mal weniger - freiwillig gemeinsam auf Reisen begeben hat. Denn wie schon im amerikanischen Independent-Hit ist es auch bei Dani Levy eine Talentshow, die Ziel und Antriebskraft für die Ereignisse markiert.
Doch zunächst präsentiert uns der Autorenfilmer die furchtbar schräge Welt einer Psychofamilie, in deren Zentrum mit der allein erziehenden Verkäuferin Mimi Wunderlich (beeindruckend: Katharina Schüttler) die Normalste von allen die Spleene der anderen über sich ergehen lassen muss. Da ist Mimis hyperaktiver Sohn Felix (Neuentdeckung Ewi Rodriguez), der wiederholt in der Schule für Unruhe sorgt, Mimis manisch-depressiver Vater Walter (Peter Simonischek), der nicht länger in der Psychiatrie eingesperrt sein möchte, und Mimis Ex-Mann Johnny (Martin Feifel), der das Leben eines Rockstars führt, als ob es seinen katastrophalen Niedergang nie gegeben hätte. Als Felix Mamas Demotape an eine Castingshow schickt, wird Mimi tatsächlich eingeladen, an der Auswahlrunde in der Schweiz teilzunehmen. Und obwohl sie eigentlich viel lieber alleine dort hinreisen würde, heftet sich die ganze Psycho-Familie (einschließlich ihre in Vergessenheit geratene Schlager-Mutter, gespielt von Hannelore Elsner) an Mimis Fersen und macht die Reise zu einer Achterbahnfahrt der Katastrophen, auf der lange unterdrückte Gefühle an die Oberfläche kommen.
Der Humor in „Die Welt der Wunderlichs“ dürfte vermutlich nicht jedermanns Sache sein. Mit den spitzzüngigen und tiefschürfenden Attacken in Filmen wie „Alles auf Zucker“ oder „Mein Führer“ hat er in den meisten Fällen auch nicht allzu viel gemein. Hier bedient sich Dani Levy nun eher einer insgesamt publikumswirksameren Komik, die aber oftmals in ihren Übertreibungen und in ihrer groben Skizzierung über das Ziel hinausschießt und allzu plakativ bleibt. Aber Levys neuer Film ist eine Tragikomödie, und die immer wieder die Oberhand gewinnenden dramatischen Elemente seines Stoffes hat er viel besser im Griff. Er entwirft das Porträt einer dysfunktionalen Großstadtfamilie, wie sie im 21. Jahrhundert sicherlich recht häufig vorkommt, nimmt die Sorgen seiner Protagonistin aber durchweg ernst und schafft es, das Publikum auf Mimis Seite zu ziehen und ihr zu wünschen, dass sie endlich mal an sich denken und ihre Träume verwirklichen kann.
(Frank Brenner)
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24