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Die Entdeckung des Himmels
Niederlande 2001, Laufzeit: 132 Min., FSK 12
Regie: Jeroen Krabbé
Darsteller: Stephen Fry, Greg Wise, Flora Montgomery, Neil Newbon, Emma Fielding, Diana Quick, Maureen Lipman, Viv Weatherall, Jeroen Krabbé, Gillian Barge, John Franklyn-Robbins, Sean Harris, Molly Hallam, Inday Ba, Dimitris Philippou

Der Roman von Harry Mulisch entwirft mit wahrhaft universalistischer Geste ein Schicksals- und Geschichts-Epos, das noch die heterogensten Elemente mit leichter Hand zu einer überbordenden, allumfassenden Weltschau zusammenfügt. Kindheit, Jugend und resignierendes Alter, Amouren und Leidenschaften, politisches Geschehen und Zeitgeschichte, Verstrickungen in düstere Vergangenheit, Wissenschaft und religiöse Weltsicht, Lebensgier und Allgegenwart des Todes: ein großartiger literarischer Wurf, philosophischer Essay, Entwicklungsroman und spannender Thriller in einem. Höhepunkt der Handlung: das Wiederentdecken von Moses¹ Gesetzestafeln in einem Versteck im Vatikan und der Versuch, sie zu stehlen und an ihren ursprünglichen Ort im Tempelberg von Jerusalem zurück zu bringen. Die Rahmenhandlung zeigt uns das ganze Unternehmen als von langer Hand geplant. Gott selbst hat diesen Coup in Auftrag gegeben. Er zürnt über den rasant sich vollziehenden Abfall der Menschheit und will den am Berge Sinai geschlossenen Bund aufkündigen. Gehorsame Engel mühen sich von da an, die eigenwilligen menschlichen Wege so zu lenken, dass sich die göttliche Verfügung erfüllt. Wie in einer augenzwinkernden Parodie der Messias-Geschichte ist das Ganze nach Holland verlegt und ein Junge namens Quinten, blond und blauäugig, muss den Part des Erlösers übernehmen. Statt der unbefleckten Empfängnis geht seiner Geburt eine Liebesnacht voraus, in der Ada, die Mutter, durchaus beabsichtigt, kurz hintereinander mit zwei Männern schläft. Es sind die ungleichen Freunde Onno und Max, die sie beide liebt und die beide in sie verliebt sind. Man ist in den wilden Sechzigern, in Amsterdam prügeln sich Kraker und Polizisten, man reist nach Kuba, um Revolution und Liebe zu machen. Die Verwicklungen können fortan ihren Lauf nehmen. Als weiteres Symbol für die Auserwähltheit Quintens erscheint ein weiteres Ereignis. Nach einem Unfall fällt Ada ins Koma, trotz ihres Hirntodes lebt das Baby und wird gesund geboren. Onno, inzwischen ein vielbeschäftigter Politiker, gilt offiziell als Vater, doch Quinten wächst bei Max auf, der als Astronom auf einer Teleskop-Station auf dem Lande arbeitet. Onno flieht nach einem Polit-Skandal und dem Tod der Lebensgefährtin - alles von göttlichen Instanzen eingefädelte Schicksalskorrekturen ­ an einen unbekannten Ort. Doch der heranwachsende Quinten beschließt, ihn zu suchen, und findet Onno in Rom, jenem Ort, an dem - wie sich herausstellt - in der Basilika San Giovanni in Laterano die Moses übergebenen, in Stein gehauenen Zehn Gebote versteckt sind. In einem furiosen Finale kann sich der göttliche Plan vollenden. Diese Inhaltswiedergabe bezieht sich gleichermaßen auf das Buch wie auf den Film. Jeroen Krabbé ("Kalmans Geheimnis"), bekannt vor allem als Darsteller ("Farinelli", "Herr der Gezeiten", "James Bond 007 ­ Der Hauch des Todes"), und sein Autor Edwin de Vries haben sich eng an Harry Mulischs Erfolgsroman gehalten (fast eine halbe Million Auflage allein in Deutschland). Natürlich ließ sich die überwältigende Fülle der Erzählung nicht in normale Spielfilmlänge fassen, aber erstaunt muss der Leser des Buches feststellen, wie genial es der filmischen Bearbeitung gelungen ist, die Atmosphäre und Essenz des Werkes einzufangen. Der Film schafft es mit seinen eigenen Mitteln, die komplex entwickelten General-Themen von Mulischs Zeit- und Personen-Chronik in intensive, bildmächtige Leinwandpräsenz zu verwandeln, sei es bei den düsteren Visionen vom Himmels-Imperium, beim Aufenthalt auf Gottes auserwählten Wegen in Amsterdam und auf dem Polder-Landsitz oder an den Originalschauplätzen in Rom und Jerusalem. Krabbé gab dem Film, was er zu seinem ureigenen Funktionieren benötigte, und übernahm von der Story, was an unverzichtbaren Elementen für den Gesamteindruck erforderlich war. Eine perfekt ausgewogene Balance, zu deren suggestiver Wirkung insbesondere die überragenden Schauspielerleistungen beitragen. Stephen Fry ("Peter¹s Friends", "Oscar Wilde") als Onno spielt sich als dominierende Figur mitten in die Herzen der Zuschauer. Er war Mulischs eigene Wunschbesetzung, wie überhaupt diese Verfilmung die volle Zustimmung des Autors gefunden hat. In den Niederlanden war der Film ein Riesen-Publikumserfolg und löste durch die klar herausgearbeitete kulturkritische Dimension gerade im Rahmen aktueller Debatten über den "Kampf der Kulturen" intensive Debatten aus. Sicher eines der seltenen gelungenen Kino-Beispiele für die stimmige Ausgewogenheit von Anspruch und hohem Unterhaltungswert.

(Heinz Holzapfel)

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