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Brokeback Mountain

Brokeback Mountain
USA 2005, Laufzeit: 134 Min., FSK 12
Regie: Ang Lee
Darsteller: Heath Ledger, Jake Gyllenhaal, Anne Hathaway, Michelle Williams, Randy Quaid, Scott Michael Campbell, Linda Cardellini, Anna Faris, Kate Mara, Cheyenne Hill, Brooklynn Proulx, Tom Carey, Graham Beckel, Steve Eichler, David Harbour, Mary Liboiron, Roberta Maxwell, Mary McBride, Steven Cree Molison, Hannah Stewart

Mitreißendes Entwicklungsdrama im Land der großen Freiheit
Das Drama zur Freiheit
"Brokeback Mountain" von Ang Lee

Wyoming 1963: In den unwirtlichen Hochebenen werden die Cowboys Ennis und Jack auf sich selbst zurück geworfen - und entdecken dabei eine ganz neue Seite an sich, die sich mit den gesellschaftlichen Konventionen so gar nicht decken will.

Endlose Ebenen, schroffe Felsen, reißende Flüsse und Baumriesen, die einem den Himmel verstellen. Wo der ohrenbetäubende Knall des Bärenfängers die archaische Stille der Natur nur für den Bruchteil zerreißt, die Einsamkeit des Abenteurers im Klang seiner Mundharmonika widerhallt. Der romantische Traum von der grenzenlosen Freiheit. Zugleich Lebensraum eines der tragischsten Helden der Geschichte. Der Cowboy: Desperado und Vorreiter in einem. Zunächst Rebell und dann Verbrecher, hat er der Zivilisation doch erst eine neue Dimension der Freiheit eröffnet, um dann in ihren Untiefen zu ertrinken. Schicksal des Revolutionärs.
Diese Zerrissenheit des Helden ist es, die die Faszination des Western ausmacht. Das irdische Drama von Leben und Tod, des zwanghaften Aufbruchs unter Schmerzen und der lebensbedrohlichen Gefahr des Ankommens. Im Großen wie im Kleinen. Im historischen Western genauso wie in den menschlich-allzu-menschlichen Anekdoten aus einem neuzeitlichen Wilden Westen, von dem die amerikanische Schriftstellerin Annie Proulx in ihren "Wyoming Stories" erzählt. Prägnante Einzelschicksale in einer immer noch archaischen Natur, anachronistischen Kultur. Welch grandioser Nährboden für ein schwules Liebesdrama zwischen zwei Cowboys, die in dieser Wildnis nicht nur ihr persönliches Coming-out verarbeiten müssen, sondern auch noch für ihre neu entdeckte Freiheit kämpfen sollen.
"Ich konnte mir nicht vorstellen, wie aus meiner Geschichte ein Film gemachte werden könnte: [...] Ich gerate in meinen Erzählungen oft in Grenzbereiche und befürchtete, der Film werde mir nicht dorthin folgen." (Proulx)
Die in der neuen, Ang Lee gewidmeten Ausgabe der Schweizer Zeitschrift für Kultur "du" geäußerten Bedenken der Autorin sind mehr als verständlich: Hollywood und Homosexualität, noch dazu verpackt in dessen ureigenster, konservativster Gattung? Doch der 1978 als 24Jähriger in die USA emigrierte Taiwanese erweist sich als Meister der Inszenierung derartiger Schicksale. Wieder einmal, oder wie es Georg Seeßlen in seinem Aufsatz "Ang Lee - ein Schiffbrüchiger zwischen Tao und Tragödie" [ebda] formuliert: "In allen Filmen von Ang Lee geht es darum, dass der Weg zur (utopischen) Veränderung des Menschen auch durch eine Veränderung seiner geschlechtlichen Identität führt. Der Mann muss einen Teil seiner Männlichkeit verlieren, um zum Menschen zu werden, einen Teil der 'phallischen' Dramaturgie seines Lebens überwinden; die Frau muss Stärke zeigen, männliche Codes übernehmen, Autarkie gewinnen."
Erweist sich "Brokeback Mountain" schon in seiner doppelbödigen Gender-Komponente wie für Ang Lee geschaffen, so findet der Regisseur auch sonst all seine Sujets wieder: Der Bruch mit der Familie und der damit verbundene Wunsch, in einen ähnlichen Schoß zurückfallen zu dürfen, die Suche als unendliche Bewegung und die Sehnsucht nach Stillstand sowie der "Raum als determinierende Komponente der menschlichen Existenz" (Andreas Ungerböck). Aufbruch, Umbruch, Einbruch. Wie schnell können sich die endlosen Weiten des Wilden Westens zu Kerkermauern zusammen ziehen.
"Man mag bezweifeln, dass sich junge Männer dort oben im Hochgebirge verlieben, aber die Kaffeekanne wird niemand unglaubwürdig finden, und wenn die Kaffeekanne wahr ist, dann ist auch der Rest wahr." (Proulx)
Berauschende Naturaufnahmen, die liebevolle Inszenierung von Details und vor allem die Fähigkeit, die Story wie einen störrischen Hengst mal an der langen Leine gehen zu lassen, um ihm sodann die Sporen in die Flanken zu treiben, lassen nicht nur von Anfang an keine Zweifel am Wahrheitsgehalt aufkommen, sondern zwingen selbst den hartgesottensten Westerner in die Knie. Zumal sich gerade in der (schwulen) Liebesgeschichte gleich zwei Sehnsüchte vereinen: die nach Freundschaft und die nach der ausgelebten Beziehung, die eine als hehres Ideal, die andere als Ausdruck der Freiheit, welche sich doch nie mit dem Stillstand arrangieren lassen will. Ankunft verlangt nach Aufbruch: Ride on, cowboy!

(Lars Albat)

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