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A Snake of June
Japan 2002, Laufzeit: 77 Min., FSK 16
Regie: Shinya Tsukamoto
Darsteller: Asuka Kurosawa, Yuji Kotari, Shinya Tsukamoto, Tomoro Taguchi, Susumu Terajima, Mansaku Fuwa, Teruko Hanahara

Ein Voyeur bringt das Leben eines scheinbar zufriedenen Paares durcheinander. Zunächst stellt er der Frau nach, dann setzt er dem Mann zu. Unter diesem sexuellen und gewalttätigen Ansturm brechen zunehmend die bis dahin erfolgreich durch Neurosen kompensierten Gefühle und Triebe der Beteiligten auf. Morbide stilisierter Erotikthriller "Tetsuo-The Iron Man" ist einer jener Filme, die einen davon überzeugen, dass der gesellschaftliche Druck zu Gleichförmigkeit und Unterwürfigkeit in der japanischen Gesellschaft groß ist. So groß, dass manchmal Überdruck entsteht und ein Ventil aufgeht, manchmal auch explodiert. "Tetsuo" ist eine solche Explosion und längst ein Klassiker der 80er Jahre. Vor filmischen Ideen nur so berstend, mäandert der 1989 entstandene Film zwischen derben Gewalt- und Splatterfantasien, obsessiven Sexszenen, Fantasy-und Science Fiction-Elementen und ist in seiner surrealen Trash-Ästhetik durchzogen von Brüchen. Der Erstling des Japanischen Regisseurs Shinya Tsukamoto hat damit das Genre des Horrorfilms auf eine neue Ebene gehoben. Leider hat damals niemand dort weitergemacht ? nicht ein mal Tsukamoto selber. Die drei Jahre später nachgelegte Fortsetzung hat ästhetisch nichts mit dem Original gemein. Mit seinem neuen Film kehrt Tsukamoto ästhetisch wie thematisch ein Stück weit zu seinen Wurzeln zurück. Mit seinen grobkörnigen und blaustichigen schwarz-weiß Bildern wirkt der Film wie eine deutlich moderatere Version von "Tetsuo". Die melancholische Grundstimmung in "A Snake of June" wird neben der Einfärbung auch durch den permanenten Sommerregen geprägt, der allerdings nicht nur die Melancholie der gefühlserstarrten Protagonisten spiegelt, sondern zunehmend auch deren erotisierte Wandlung unterstreicht ? es ist schwül und alles ist feucht! Eine Weile muss man daher fürchten, dass Tsukamoto hier seine dominanten Männerfantasien durchgehen, und das mag zum Teil auch so sein. Doch gibt er dafür seine Geschichte nicht auf. Im Gegenteil: der Film durchsetzt den Sex als Metapher für das Leben zunehmend mit morbiden Elementen und macht deutlich, dass es um Leben und Tod geht. Und das ist nicht im Sinne eines gewöhnlichen Thrillers zu verstehen: bei Tsukamoto kann Leben, wie es in seiner sterilen Form von dem bürgerlichen Paar gelebt wird, Tod heißen. Und die Ahnung des Todes ist umgekehrt eine Erfahrung des Lebens. Selten war ein Film über den Tod so sexy: er zeigt, dass es ein Leben vor dem Tod gibt.

(Christian Meyer)

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