Keine Ausgänge. Alle Türen sind ins Schloss gefallen. Für die junge Mutter Paula eröffnet sich die Definition von Freiheit lediglich in der Wahl zwischen einer Liebkosung der Faust ihres kriminellen Partners oder der Flasche voll Bewusstseinsverdrängung. Die Flucht aus ihrer zugedachten Opferrolle gelingt erst mit dem Tod des Gatten, der bei einer Geiselnahme zum Mörder wird und im Kugelhagel der Polizei umkommt.
In einem rund 80-minütigen Monolog wird Lisa Bihl zu Paula Spencer und begegnet dem Publikum mit einer unprätentiösen Darbietung auf Augenhöhe. Die Performance erscheint dermaßen authentisch, dass der Betrachter bisweilen vergisst, einer Theateraufführung beizuwohnen. In der Adaption des sozialkritischen Stücks von Roddy Doyle bleibt kein Ausspruch, keine Regung, nicht einmal das Ungesagte missverständlich. In ungeschminkter Realität offenbart sich hier das stille Drama von Millionen Frauen, die in ihrer Beziehung täglich Gewalt erleben. Die zum Sexobjekt oder Haushalts-Tool degradierte Partnerin erträgt über Jahre die Erniedrigungen des krankhaft eifersüchtigen oder vom eigenen Dasein frustrierten Patriarchen und schöpft in Erinnerung an Stunden der Zärtlichkeit bei jeder lichten Gefühlsregung ihres Gegenübers Hoffnung auf eine positive Wandlung. Doch Happy-Endings sind nicht selten ein Mythos, der sich von Verzweiflung und dem intuitiven Wollen nährt wie ein Kind von der Brust seiner Mutter.
Obgleich als schonungslose Lebensbilanz konzipiert, füllt Bihl in der One-Woman-Show selbst die Momente der Verachtung mit berührender Einfühlsamkeit. Der körperliche wie seelische Schmerz ihrer Figur stürzt mitunter als Fontäne über den Bühnenrand und taucht die Wände der Stätte, gleich den Spuren von Körperhieben, in pulsierendes Violett. Paulas Stärke, aber auch ihre Hilflosigkeit, lassen sich dabei nicht durch ein Drehbuch oder Manuskript berichten – hier spricht das geschundene Leben im tristen Licht einer verwaisten Bühne selbst. Die meisterhafte Verinnerlichung einer verwundeten Kreatur, die einst ein Mensch war und in die Chance eines Neuanfangs hinkt, wird von den Zuschauern nach der Köln-Premiere im nahezu ausverkauften Bauturm mit langanhaltendem Applaus und Standing Ovations bedacht. Unbedingt sehenswert!
Die Frau, die gegen Türen rannte | R: Thomas Ulrich | Theater im Bauturm | 5., 10.3. 20 Uhr | 0221 52 42 42
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