Der Wind bläst hörbar den ganzen Abend über vermutlich ödes Land, das von einem bleiernen grauen Himmel verdunkelt wird. Eine große weiße Wand, über die Bilder eines zerborstenen roten Kunststoffobjekts in einem Fluss flimmern, und zwei ebenfalls weiße Stelen „möblieren“ die Erde. Es ist die Zeit nach dem großen „Knall“, so beschreiben es zumindest die Figuren in dem sehenswerten „Bum Bum Bang“ der Gruppe fast verwegen (Alexandra Hespe, Alice Janeczek, Carmen Konopka und Anna Sander) am Theater im Bauturm.
Das Leben scheint sich inzwischen unterirdisch abzuspielen. Der Luke entsteigt ein hochkomisches Frauenquartett. Die Oberflächen-Realität erreichen sie mit einem Hüpfer, sie tanzen mechanisch zum 1970er Jahre-Hit „Ça plane pour moi“ und bringen damit ihre Rod-Stewart-Ananas-Frisuren in Bewegung. Doch der aufrechte Gang hält nicht lange vor, immer wieder sackt eine aus dem Quartett in sich zusammen, als ob ihre innere Ladung abnähme. Die überwältigende Komik liegt allerdings in dem wundervoll ziselierten französisch-deutschen Kauderwelsch (Regie und Text:Nastassja Pielartzik). Alle vier benutzen eine depravierte Sprache, in der Artikel verschwinden oder Begriffe verballhornt werden: Aus Sternen werden „Funkel“ oder aus der Natur „Grün“. Man begreift schnell, dass es um eine Welt ohne Männer geht („Manns sind verschwunden!“). Das Quartett lacht sich schlapp über die Liebeslyrik in einem Buch aus der „alten Welt“ – und doch sind diese Frauen nicht frei von Sehnsucht.
Kontrastiert wird das Quartett mit dem männlichen Duo zweierWaffenhändler in der Vergangenheit. Der eine reproduziert Marketing-Floskeln der Nachhaltigkeit, der andere wirft sich in ritualisierte Männlichkeitsposen. Allmählich entwickeln die beiden eine zarte Zuneigung zueinander, zitieren Rilke und palavern mit dem Publikum über Frieden, was bei zwei Waffenhändlern eine nette Volte ist. Aber sie haben auch eine nie weiter ausgeführte Beziehung zu dem Quartett, wenn eine Kette, die zuvor von den Frauen entdeckt worden ist, plötzlich in rauen Männerhänden auftaucht – allerdings in völlig anderem Zusammenhang. Was den Abend letztlich sehenswert macht, ist die schräge Mischung aus postapokalyptischem Dada, Brokeback Mountain-Atmo, Klimakatastrophen-Setting und unwiderstehlichem Humor.
Bum Bum Bang | R: Nastassja Pielartzik | weitere Termine im März 2024 | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42
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