Gegründet als Filmpalast im Kinoboom der Nachkriegszeit, in den 1970er Jahren zum Pornokino degradiert, in den 90er Jahren dann die Wiedergeburt als früher Hotspot der schwullesbischen Szene Kölns und schließlich seit Beginn des Jahrtausends als moderner Veranstaltungsort für Parties, Konzerte, Comedy und Kabarett: Es ist eine ziemlich bewegte Geschichte, die das Gloria Theater in den 60 Jahren seiner Existenz bereits hinter sich gebracht hat. So hatten es sich Michael Zscharnack und Claudia Wedell, die das Gloria Theater seit 2001 betreiben, nicht nehmen lassen, Freunde, Unterstützer und Wegbegleiter zu einer glamourösen Gala einzuladen, um das Jubiläumsjahr zu feiern.
Das von WDR 2-Moderator Thorsten Schorn präsentierte Bühnenprogramm setzte sich vor allem aus regelmäßigen Gastkünstlern des Gloria Theaters zusammen und spiegelte so das spezielle Flair des Hauses gut wider: So etwa die seit elf Jahren einmal jährlich hier auftretenden Ray Collins’ Hot-Club” mit ihrem in der Tradition der 50er und 60er Jahre stehenden Rock’n Roll, und das Burlesque-Gesangstrio der „Petit Four”, die mit ihren nostalgischen Outfits gut ins plüschige Ambiente des großen Saales passten. Auch die Puppen von Martin Reinl, der mit der „Wiwaldi-Show” bis zum vergangenen Jahr regelmäßig im WDR zu sehen war, schauten auf eine Stippvisite vorbei.
Natürlich wurde auf der Bühne auch ein Blick zurück geworfen, unterstützt von Bildmaterial aus früheren Jahrzehnten. Zwar wurde die Ära des Glorias als Pornokino vor allem als eine aus der Not des Kinosterbens heraus geborene Episode betrachtet – zu erwähnen vergaß diese jedoch keiner der Laudatoren, auch nicht Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, die als Vertreterin der Stadt Köln sprach. Hildegard Hoos-Servos, die langjährige Vermieterin des Theaters, hatte diese Zeit, laut eigener Aussage, „gar nicht so richtig mitbekommen”. Eine ehemalige Nachbarin, die mit ihrem Geschäft neben dem Gloria saß, erinnerte sich dafür umso besser: „Die Herren haben vor meinem Schaufenster immer schon vorsorglich ihr Geld abgezählt, damit es an der Kasse schneller ging. Nicht selten stand auch der Notarztwagen vor dem Kino – wohl, weil es dem einen oder anderen Zuschauer zu aufregend geworden war.”
Mit Bernd von Fehrn konnte Schorn auch einen der zentralen Protagonisten der Rosa Sitzung auf der Bühne begrüßen, die die ersten Jahre im Gloria stattgefunden hatte. Von Fehrn gehörte als Wanda Rumor zur zweiten Generation der Rosa Sitzung, die nach Hella von Sinnen und ihren Mitstreitern das Heft über die Sitzung in die Hand genommen hatten. In besonderer Erinnerung ist ihm sein Auftritt in dem Tatort „Die Frau im Zug”, in dem das Gloria als Kulisse diente: „Zwei Tage lang wurde ich geschminkt, um dann vor der Kamera zwei Worte zu sagen: Wer, ich?” Dafür stand zumindest eine seiner Perücken im Rampenlicht - die hatte sich nämlich Dietmar Bär ausgeliehen.
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