„Wir haben heute die Ehre, Wallis Bird‘s Show zu zerstören“, kündigt sich im Vorprogramm der Sänger und Songwriter Sam Vance-Law an. Begleitet wird er dabei von Aidan Floatinghome, Musiker bei Wallis Bird, sowie von einer gewissen Emma Greenfield. „Homotopia“ heißt ihr Debüt, das irgendwie ironisch klingt. „Köln ist ja auch eine sehr schwule Stadt“, sagt der Kanadier lachend auf Deutsch, und „bestimmt flieg ich als Ausländer bald raus“. Das Publikum lacht. Die Musiker dürfen Wallis Bird bei ihrer aktuellen Tour begleiten.
Jene springt anschließend dynamisch auf die Bühne, und das in Scharen erschienene Publikum ist begeistert. „Ich bin verliebt“, gibt die 35-Jährige gleich zu Beginn zu, und man glaubt es ihr sofort. So lautet das erste Lied auch „Love“. Die in Irland geborene Musikerin liefert an diesem Abend einen Mix aus alten und neuen Liedern ihres aktuellen Albums „Home“. Wallis Bird, die aktuell blond ist, ist ein wahnsinniges Energiebündel. Die Art und Weise, wie multitalentierte Musikerin ihre Gitarre im wahrsten Sinne des Wortes bearbeitet, ist schon spektakulär, hatte die Tochter eines irischen Pub-Besitzers und das vorletzte von sieben Kindern doch als kleines Kind einen Unfall mit einem Rasenmäher, infolgedessen sie fünf Finger verlor. Vier davon konnten gerettet werden. Einer verschwand für immer in den Tiefen des Mähers. Doch kein Grund für Wallis, die eigentlich Linkshänderin ist, ihren Traum aufzugeben Musikerin zu werden, den sie von klein auf hatte: Schlicht und einfach übte sie seither auf einer Rechtshänder-Gitarre, die sie verkehrtherum hielt. Mit einer Stimme, die mal wie Janis Joplin, dann wie Eva Cassidy oder auch wie Ani DiFranco klingt, schmettert sie dem Publikum ihre Gefühle um die Ohren. „Home“ sei ihr persönlichstes Lied kündigt Wallis Bird die gefühlvolle Ballade an. Zwischendurch ruft sie Bier trinkender Weise „sláinte!“, mal spricht sie mit irischem Akzent, mal Wortfetzen auf Deutsch, zwischendurch macht sie kleine Witze oder schreit einfach nur ins Mikro. Langweilig wird es nicht.
Wallis Bird, die seit vier Jahren in Berlin lebt, scheint im wahrsten Sinne des Wortes angekommen zu sein: Auf ihrem Album „Home“ handelt alles von Liebe und Glück, aber ohne dass es kitschig zu werden droht. Dafür ist ihre Musik einfach zu facettenreich und ihre Stimme zu gewaltig. Das Spektrum reicht von Folk, über Pop, Rock bis hin zu Soul und ist teilweise mit elektronischen Beats versetzt. In dieser Vielfältigigkeit liegt der Reiz ihrer Musik.
Während „Change“, ein Titel ihres neuen Albums, mit der Textzeile „I‘ve waited all my life for this“ eher balladig und sehr ruhig anmutet, klingt „To My Bones" eher poppig, folkig und dynamisch. „Control“ – ebenfalls ein Titel auf der aktuellen Platte –ist hingegen soulig und elektronisch angehaucht. Bird, die das Talent besitzt, mit dem Publikum zu interagieren und zu flirten, lässt dieses mitsingen und tanzen, und es macht begeistert mit. Ihre Musik ist irgendwie ansteckend. Schließlich gießt sie sich Bier über den Kopf. Das Publikum lacht. Dann holt sie ihre Partnerin Tracey auf die Bühne, die mitsingt. Mit dem gefühlvollen Lied „In dictum“ lässt sie das Publikum schließlich gehen. Wallis Bird lebt und liebt das Leben bis auf die Knochen, das nimmt ihr ab. Ihre Musik wird in den Köpfen noch lange nachhallen.
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