Der Ausstellungstitel „Großes Kino!“ ist Programm, auch im übertragenen Sinne. Die Schau im Kölnischen Stadtmuseum umspannt mehr als ein Jahrhundert, sie spricht den technischen Fortschritt und gesellschaftliche Entwicklungen in Zeiten von Krieg und Frieden an: Zugleich haben sich das Ansehen, die Funktionen und die Präsenz des Kinos im Stadtbild gewandelt. Im Blick auf 120 Jahre Kinogeschichte in Köln wird all dies in der Ausstellung sachlich und relativ unspektakulär, aber mit einigen sensationellen Exponaten geschildert. Höhepunkt ist ein schlichter Kasten mit einem Holzgehäuse, der gleichzeitig Kamera und Projektionsgerät ist, erfunden von den Brüdern Auguste und Louis Lumière in Frankreich zu Ausgang des 19. Jahrhunderts.
Auch ein weiteres Exponat möchte man in der Ausstellung nicht missen: den Schokoladen-Automat, der sogar in New York aufgestellt war – er war nur eine der Ideen von Ludwig Stollwerck, dem umtriebigen Vertriebschef der Kölner Schokoladenfabrik. Und mit seinem Elan brachte er die Brüder Lumière nach Köln. Ein Jahr nach der Uraufführung in Frankreich waren ihre „lebenden Bilder“ erstmals in Deutschland zu sehen: Premiere war am 20. April 1896 in einem Geschäftshaus am Augustinerplatz. Und obwohl die Filme, die etwa Passanten vor dem Dom zeigten, nicht einmal eine Minute lang waren, fanden in der Folge mehrmals täglich Vorführungen statt – so spektakulär war das neue Medium. Schon bald reisten Filmvorführer mit ihren Kinematographen durch das Land, schnell wurden provisorische Kinos eingerichtet, in Köln vor allem an der Hohen Straße. Und das Geschäft boomte und brachte den Bau eigener Lichtspielhäuser mit sich. 1907 gab es in Köln bereits 15 Kinos. Die Stummfilme wurden von einem Grammophon oder Live-Musik begleitet, mitunter gab es einen Vorleser für die Zwischentitel. 1929 folgte der Tonfilm, und erst recht ab da hieß es für die Kinobetreiber, mit den technischen Entwicklungen Schritt zu halten. Das alles ist nun im Stadtmuseum zu verfolgen anhand von rund 150 Exponaten: Kostümen, Plakaten, Fotografien, Architekturmodellen oder den Schriftzügen der Lichtspielhäuser. Deutlich wird: Lange Zeit war ihre Akzeptanz im öffentlichen Leben enorm. So besaß das 1912 eröffnete „Moderne Theater“ auf der Breite Straße 1.200 Sitze. Größer und prunkvoller noch war der UFA-Palast, der 1931 mit Wilhelm Riphan als Architekten am Hohenzollernring eingeweiht wurde: Das Kino war zur Konkurrenz für die Theater geworden. In Köln gründete Paul Jockel das „Kino für Jedermann“, zeitweilig besaß er dreizehn Kinos. Aber das Kino war nicht nur Geschäftsidee, sondern der Film wurde auch für die Propaganda vereinnahmt, im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Auch das spricht die Ausstellung an.
Der Neubeginn nach 1945 war schwierig, zumal im Krieg auch in Köln die meisten Lichtspielhäuser zerstört worden waren. Und dann kam allmählich das Fernsehen auf und führte zum Schachtelkino – kleineren Sälen – und dann zu einem partiellen Kinosterben. Wir erinnern uns an die Kinosessel, die man fast geschenkt im Kino abholen konnte. Auch davon sind einige ausgestellt, die im vergleichenden Sehen Überlegungen zum Design aufwerfen. Etwas nostalgisch ist das bestimmt: in der Erinnerung an eindrückliche Kinoerlebnisse, dem Rascheln von Popcorn und der gemeinsamen Atmosphäre, die es eben nach wie vor nur im Kino gibt, auch heute mit der 3D-Brille vor riesigen Projektionsflächen. Mit diesen Hinweisen ist die Ausstellung ein Plädoyer für das Kino und seine Zukunft, unabhängig noch vom stadthistorischen Aspekt. – Passend zur Frage nach der Bedeutung und Stellung des Kinos in der Gesellschaft, vertieft derzeit eine Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn, inwieweit Spielfilme zum kollektiven Wissen um die jüngere deutsche Geschichte beitragen und noch deren Einschätzung prägen. Hier wie da: sehenswert.
„Großes Kino! – 120 Jahre Kölner Kinogeschichte“ | bis 6.11. | Kölnisches Stadtmuseum | 0221 22 12 23 98
„Inszeniert. Deutsche Geschichte im Spielfilm“ | bis 15.1.17 | Haus der Geschichte, Bonn | 0228 916 50
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