Es ist still. Der große, zweigeteilte Raum mit der hohen Bogendecke hat wenig gemein mit dem, was sich vor der Tür abspielt. Es wird gehupt, geschubst, gemotzt. Der Weihnachtsterror an dem letzten Wochenende vor Weihnachten. Hier drinnen geht es um einen anderen Terror, einen schwerwiegenden. Der Samstag eignet sich: Die Ausstellung gehört einem fast allein.
„Indem wir so alles nur irgend Zweifelhafte zurückweisen und für falsch gelten lassen, können wir leicht annehmen, dass es keinen Gott, keinen Himmel, keinen Körper gibt; dass wir selbst weder Hände noch Füße, überhaupt keinen Körper haben; aber wir können nicht annehmen, dass wir, die wir solches denken, nichts sind; denn es ist ein Widerspruch, dass das, was denkt, in dem Zeitpunkt, wo es denkt, nicht bestehe.“ So schreibt der französische Philosoph René Descartes in „Prinzipien der Philosophie“.
Die Künstlerin und Fotografin Karin Richert gibt sich dem Falschen hin. Ihre als Wanderausstellung konzipierte Arbeit „Im rechten Licht“ ist seit diesem Samstag im Kölnischen Stadtmuseum ausgestellt. Über zehn Jahre hinweg war sie auf rechten Demonstrationen und zeigt im Andreas-Viertel eine Auswahl von etwa 150 Fotografien.
Die einfache, weiße Eingangstür zur Ausstellung hat tief gestapelt. Der sehr helle Raum, der von diesen Schwarzweiß-Bildern behangen ist, strahlt etwas Mächtiges aus. „Pro NRW“ steht hier groß auf einer Texttafel geschrieben und zieht die Besucher zu sich in einen abgesetzten Raum. „Splitterparteien unter sich“, heißt es weiter. Die Bilder: bullige Nacken, schwarze Kapuzenpullover, schlechte Tätowierungen und die obligatorische Glatze. Aber auch: blonde Peggy-Bundy-Frisur, dazu taillierter Halbmantel und der Gatte in Leder mit Fellbesatzjäckchen. Ein Paar, das vielleicht etwas zu sehr in den 80ern hängengeblieben ist. Sonst nicht weiter auffällig.
Das ist es, was die Künstlerin selbst demonstrieren möchte: „Rechtes Gedankengut versteckt sich heute hinter vielen Masken“, heißt es im Ausstellungstext. „Rechte Weltanschauungen treten äußerlich in vielfältiger Gestalt in Erscheinung. Manche Gruppierungen adaptieren bewusst den Stil moderner Jugendkulturen, andere präsentieren sich sehr bürgerlich.“ Diese beiden Bilder sind von 2012 und auf einer Neonazi- und auf einer Pro-NRW-Deutschland-Demonstration aufgenommen worden.
Zugegeben, es kommt während der Betrachtung doch immer wieder der Gedanke: Etwas auszustellen, hat etwas von huldigen. Warum also? Während weitere Bilder angeschaut werden, wird klar: Weil Richert unfassbar nah ran kommt. Und noch einmal bewusst macht, wie unsterotypisch die Gesichter sind. Sie weist das Zweifelhafte nicht zurück, sondern macht erkennbar und klärt somit auf.
Allerdings bleibt ungeklärt, warum einige der DemonstratInnen verpixelt dargestellt werden. Insgesamt hat sich Richert für eine sehr zurückgezogene Darstellung entschieden. Auf die Texttafeln, auf denen sie erklärt, wie die verschiedenen Gruppierungen und Parteien arbeiten, folgt ein inhaltlich passender Bilderblock. Ganz reduziert dazu die Infoschilder: Ort und Jahr der Demonstration. Besonders anzurechnen ist ihr, dass sie sich als Person vollkommen zurückzieht – nirgends ein Hinweis auf sich selbst. Der Ausstellungsraum gehört vollauf den Bildern. Was sie an Informationen heranträgt, ist auf den Punkt gebracht.
Richert, die sich selbst seit vielen Jahren politisch für eine Welt ohne Unterdrückung und Rassismus einsetzt, für den Widerstand gegen Rechtsextremismus und rechte Denkweisen, zeigt auch die andere Seite: die Appelle der Gegendemonstranten.
Adretter Chanson-Haarschnitt, gemustertes Seidentuch, geschlossene Augen. So das Gesicht einer Gegendemonstrantin. Es bleibt das einzige in der Ausstellung. „Lieber solidarisch als brutal und arisch“ oder „Wir fordern mehr Bildung für Nazis“, steht auf den Protestschildern. Als stellvertretendes Gesicht der offenen und toleranten Gesellschaft.
„Ich denke, also bin ich Mitglied bei Pro Köln“: klarer Ausdruck von zweifelhafter Erkenntnisfähigkeit. Das Fundament der rechten Substanz hat sich dennoch immer mehr in die Mitte bewegt. Und entwickelt. Es gibt sie nach wie vor, die stereotypen Bullen wie bei den Rechten Hooligans oder Freien Kameradschaften, die wie ein Motorradclub daherkommen und „einen Hang zur ganz gewöhnlichen Kriminalität“ von Richert attestiert bekommen. Autonome Nationalisten hingegen lassen sich bewusst von linken Autonomen kaum unterscheiden.
Ein weiteres Bild: Unscharf im Hintergrund zwei junge Männer, sie scheinen in einem Gespräch, sie lächeln. So könnten sie in einer Studenten-Kneipe auf der Zülpicher Straße rumstehen. Das hier ist aber eine Demonstration der AfD. Vorne und scharf das Plakat mit der Aufschrift: „Merkel muss weg! AFD wählen!“
Richerts Dokumentation zeigt nicht unbedingt Neues, sie zeigt aber, wie wichtig gerade im aktuellen Zeitgeschehen die Darstellung dieser sich bereits in der Mitte ausmachbaren Entwicklung ist. Von ihr zeugt fatalerweise der 13-Prozent-AfD-Erfolg. Ihre Fotografien sind ein Zeitdokument von einer Gruppierung, die sich aus vielen Gruppierungen herausgelöst, sich immer weiter einnistet und ausbreitet.
Kuratorenführungen: 10.1., 24.1., 14.3. je 15.30 Uhr
Karin Richert: Im rechten Licht | bis 25.3. | Kölnisches Stadtmuseum | 0221 22 12 57 89
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