Rund 800 Jahre alt und 20 Meter hoch – der mittelalterliche Wohnturm oberhalb der Flussauen-Landschaft des Rheins beherbergt in der Gegenwart eine Zweigstelle des Kölnischen Stadtmuseums, das regelmäßig mit bemerkenswerten Ausstellungen lockt. Neun Ebenen müssen die Besucher:innen nach oben steigen, um alle Exponate zu sehen. Diese Anstrengung lohnt sich jedoch, denn die Veranstalter:innen des Fördervereins präsentieren zeitgenössische Künstler:innen, die im Baudenkmal markante Spuren legen.
So auch Christine Fausten. Die Deutsch-Schweizerin verkleidet das Gemäuer, dessen Vitrinen, Nischen und die Sphäre dazwischen mit menschengroßen textilen Schnabelwesen, verblassenden Erinnerungen an blühende Zustände, filigran verknüpften Papierobjekten, verworrenen Wand-Collagen und opulenten Puppenwelten, die aus einem Zwischenreich orientalischer Märchen und Science-Fiction ihren Weg in die Stätte gefunden haben. Still, doch nicht schlafend, strecken, stürzen, steigen oder wandern die Werke durch alle Dimensionen, behaupten ihre Territorien und offenbaren Bildnisse im Bild. So zeigt sich in der scheinbar chaotischen Fixierung von Fäden, Drähten und Tuchresten ein an der Oberfläche aufgeschnittener Globus, dessen Staaten wie vielfarbige Müllreste den Planeten jenseits aller Ästhetik verzieren. Erschlagen von fallenden Kreaturen, die wiederum bereits von Rosenstielen durchbohrt wurden, blicken die Betrachter:innen auf das unvermeidliche Schicksal alles Lebendigen: Dem Instinkt nach zum Licht strebend folgt der Apotheose unweigerlich Schwerkraft. Die Glückseligkeit übergibt lächelnd an den Schmerz des Verlustes, gebiert daraus jedoch erneut die Hoffnung. Damit gleicht der Aufstieg zum Turm in der aktuellen Ausstellung dem Gipfel, den einst ein vermessener Fürst inklusive Handgepäck von empörten Göttern zu bewältigen aufgetragen wurde. Von höchster Instanz obgleich seines ewigen Mühens zum glücklichen Individuum verdammt, lachen auch die Museumsgäste angesichts ihrer sonderbaren Weggefährt:innen auf und lassen sich auf unprätentiöse Art von der elementarsten Erkenntnis der Philosophie belehren: „Wundere dich über dich selbst!“ In der Idolosphäre, die sich vom griechischen Wort „Eidolon“ (dt. Bild, Erscheinung) herleiten lässt, lohnt sich neben Auf- und Abstieg vor allem die Rast.
Christine Fausten: In der Idolosphäre | bis So 3.9. Mi/Sa 15-18 Uhr, So 14-18 Uhr u. n. Vereinb. | Museum Zündorfer Wehrturm | www.zuendorfer-wehrturm.de
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