Der Probenraum der Blackbox-Company ist nur schwer zu finden. In den Kellerfluchten der Universität reiht sich Tür an Tür. Brandschutzgrau, ununterscheidbar. Soll man das schon als Omen begreifen? Nach ihrem so absurden wie komischen Stück „phase I“ über vier Männer auf einem Floß probt die Truppe jetzt „phase II“. Thema: zwei Männer und eine Tür. Der Probenraum entpuppt sich als kleiner quadratischer Raum mit weißen Paneelwänden. In der Mitte die ominöse Tür und zwei Kinderstühle. Von der alten „phase I“-Crew stehen diesmal die Schauspieler Hans Kieseier und Waldemar Hoge auf der Bühne. Massimo Tuveri ist für die Produktionsleitung und Ozan Akhan aus „hochzeitstechnischen“ Gründen diesmal ‚nur’ für Musik und Sounds zuständig. Obwohl gerade einmal drei Wochen bis zur Premiere bleiben, ist die Atmosphäre locker. Regisseur Hans Holzbecher hat einen provisorischen Szenenablauf erstellt, den er mit den Darstellern kurz durchspricht; dann geht es in den Durchlauf. Hans Kieseier und Waldemar Hoge rudern zwar kräftig im Text, doch die Grundsituation steht. Es sind vor allem das Tempo und die emotionale Dichte der Situation, an denen Hans Holzbecher akribisch feilt.
choices: Herr Kieseier, Herr Tuveri, wie entstand die Idee, eine Tür ins Zentrum von „phase II“ zu stellen?
Hans Kieseier: Das Konzept der Blackbox-Company besteht darin, in die Blackbox des Unterbewussten reinzugreifen. Irgendwann ist das Bild mit der Tür entstanden, die in einem leeren Raum steht. Wir haben ein Brainstorming gemacht und Assoziationen zum Begriff „Tür“ gesammelt. Da bist du schnell bei drinnen/draußen oder hell/dunkel, bei inneren Räumen oder der Tür als Durchgang in ein neues Stadium. Andererseits haben wir Szenen improvisiert. Ich habe dann die Dialoge aufgeschrieben. Beim Ausprobieren dieser Entwürfe sucht man nach Verknüpfungen oder einem Plot, die daraus ein Ganzes machen. Ursprünglich wollten wir das Stück als Ensemble erarbeiten, aber inzwischen sind wir heilfroh, dass Hans Holzbecher Regie führt.
Massimo Tuveri: Das ist unsere ganz eigener Prozess. Wir gehen eher auf eine anarchische und spielerische Weise an das Thema ran. Zum Beispiel habe ich vorgestern zwei Kinderstühle mitgebracht, die jetzt im Raum stehen. Das hat bei allen etwas in Gang gesetzt.
Es gibt also einen Plot?
Hans Kieseier: Es geht um zwei Männer, die sich in einem Raum wiederfinden, den sie nicht wirklich definieren können. Sie wissen nicht genau, wo sie sind, und sie wissen nicht, wer sie sind. Wie viel wir ihnen an Vorwissen mitgeben werden, ist uns selbst noch nicht klar. Und ob sie ihre Situation im Lauf des Stücks erkennen, das müssen wir noch ausprobieren.
Massimo Tuveri: Bei „phase I“ war es ähnlich. Auch da hatten wir einen inneren Plot, den wir relativ streng verfolgt haben, ohne ihn allerdings für das Publikum sichtbar zu machen. Ein Stück baut sich aber auch zum Teil selbst, und wenn man Glück hat, fügt sich das zu einem Ganzen.
Nach „phase I“ nun „phase II“. Ist das die Geburt einer großen Serie?
Hans Kieseier: Jeder, der schon mal ein Theaterstück geschrieben hat, weiß, wie lange man braucht, um einen guten Titel zu finden. Ein Begriff, den man einfach durchnummeriert, ist da viel einfacher, natürlich getragen von der Hoffnung, dass sich das nachher mit der Marke der Blackbox- Company verbindet. Angeregt wurde das von der holländischen Gruppe Bambi, die ihre Stücke auch durchnummeriert.
Inzwischen ist Ausstatterin Heidrun Schmelz mit dem Bühnenbildmodell eingetroffen. Regisseur Hans Holzbecher lässt sich davon nicht beirren. Für die dritte Szene bittet er die Schauspieler, nicht auf Komik zu spielen. Er will keinen Loriot, sondern einen ruhigen Dialog zweier Männer, die sich auf Anhieb sympathisch sind. „Neu hier?“, fragt Waldemar Hoge. „Ja“, antwortet Hans Kieseier. „Ich auch“, kommt als Antwort. Und dann steigert sich das Tempo kontinuierlich; Waldemar Hoge bricht ins Russische au,s und plötzlich ist es da, dieses merkwürdige Blackbox-Gefühl einer rätselhaften, absurden Komik.
Die Rollenverteilung mit zwei Schauspieler und einem Regisseur ist anders als bei „phase I“.
Massimo Tuveri: Es interessant, das mal von außen zu sehen. Ich verstehe die Schauspieler sehr gut, verstehe aber auch, worauf Hans Holzbecher hinaus will. Und es hat auch seine lustigen Seiten. Ein Prozess, bei dem ich also viel lerne, um dann bei „phase III“ endlich ein Solostück zu machen (lacht).
Hans Kieseier: Bei „phase I“ hat Hans Holzbecher nur während der Wiederaufnahme mit uns gearbeitet. Jetzt ist er von Beginn an dabei, was die Arbeit komplett verändert. „phase I“ erklärte sich durch die Situation auf dem Floß selbst und hat sofort Handlungsmuster freigesetzt. Das gibt es bei „phase II“ nicht. Wir haben eine Tür in einem leeren Raum, der erst einmal definiert werden muss. Und das kann man, wenn man alleine auf der Bühne steht, nicht leisten. Hans Holzbecher hat darauf gedrungen, den schon erwähnten Plot zu entwickeln – auch gegen meinen Widerstand. Mittlerweile habe ich gemerkt, dass es mit dem inneren Kern der Geschichte viel leichter fällt, die Dialoge zu schreiben.
Anders als bei „phase I“ klingt die Ankündigung zu dem neuen Stück klingt schrecklich ernst.
Massimo Tuveri: Die Zusammenstellung dieser Gruppe beinhaltet schon von vornherein eine gewisse Komik. Wir sind alle mit einem komischen Talent gesegnet und müssen deshalb eher dagegen anarbeiten. Manchmal wird es aber gerade dadurch noch komischer.
Hans Kieseier: Es soll schon ins Surreale gehen. Die Anfangssituation zum Beispiel hat einen derart starken Bildwitz, dass wir die verbale Komik eher zurücknehmen müssen. Wenn das Stück fertig ist, werden wir deshalb noch mal nachjustieren. Es kann sein, dass wir am Anfang zunächst etwas weniger komisch sind, oder dass wir eine Szene, die dunkler angelegt ist, mit etwas Witz anreichern. Die Grundsituation ist schon sehr kafkaesk. Also Kafka als Komödie.
„phase II“ I Blackbox-Company Regie: Hans Holzbecher I Studiobühne I 5.(P)/6.-10.5., 20 Uhr
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