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Marie Bues
Foto: Felix Grünschloss

„Der Eigentumsbegriff ist toxisch“

26. September 2023

Regisseurin Marie Bues bringt am Schauspiel Köln „Eigentum“ zur Uraufführung – Premiere 10/23

„Eigentum verpflichtet“ heißt es im Grundgesetz. Dass dieser Satz eher ein Wunschtraum ist, wenn man ihn auf unseren Umgang mit der Natur bezieht, zeigt der Klimawandel. Allmählich nehmen allerdings die Debatten dazu Fahrt auf, wie der Natur eigene Rechte zugestanden werden können. Der Autor Thomas Köck setzt sich in seinem neuen Stück mit unserem kapitalistischen Eigentumsbegriff auseinander – und scheut dabei auch vor drastischem Witz nicht zurück. Ein Gespräch mit Regisseurin Marie Bues, die das Stück am Schauspiel Köln zur Uraufführung bringt.

choices: Sie inszenieren in dieser Spielzeit gleich drei Uraufführungen. Was reizt Sie an neuen und noch nie gespielten Texten?

Marie Bues: Ich habe mich tatsächlich in meinem Regieführen fast völlig auf neue Dramatik konzentriert. Bei Uraufführungen reizt mich die enge Zusammenarbeit mit dem Autor/der Autorin, auch die inhaltliche Mitbestimmung, so wie wir das jetzt auch hier in Köln machen. Da setzt man sich schon ganz früh mit dem Team, also mit der Dramaturgie und dem Autor/der Autorin zusammen und überlegt, was man über unsere Gegenwart erzählen will. Man ist also schon sehr früh im Entstehungsprozess dabei und interpretiert einen Text nicht nur wie bei Klassikern zum Beispiel. Und schließlich habe ich eine große Freude an der Frage, wie man im zeitgenössischen Theater noch eine Sprachgewalt erzeugen und weiterführen kann.

Hier in Köln bringen Sie Thomas Köcks neues Stück „Eigentum“ auf die Bühne. Wie kam es dazu?

Thomas Köck und ich hatten in Hannover eine Klimatrilogie gemacht. Der Kölner Chefdramaturg Thomas Jonigk hat sich das angeschaut und uns dann eingeladen. Als Ausgangspunkt hat Thomas Köck dann den Eigentumsbegriffvorgeschlagen, also: Was ist Besitz, wie entsteht er, woher kommt er, wann fing das überhaupt an, in welche Lebensbereiche zieht sich das durch? Das haben wir dann gemeinsam weiterentwickelt; es gab verschiedene Fassungen und irgendwann hat er uns das Stück übergeben. Wir haben dann auch noch mal für unsere Fassung dran gearbeitet, haben ein bisschen gekürzt und auch bei den enorm vielen Figuren etwas reduziert.

Sie haben schon häufiger mit Thomas Köck zusammengearbeitet. Was macht ihn für Sie zu einem spannenden Autor?

Ich schätze an ihm, wie er ein großes politisches Thema auf ein paar Figuren, auf konkrete Szenen oder Geschichten verdichten kann. Dabei variiert er auch immer wieder die Textform, arbeitet mit Dialogen, aber auch mit Chor- oder allgemeinen Fließtexten, die aber eine große Poesie und musikalische Qualität haben. Dazu kommt eine große sprachliche Kraft und Energie sowie ein bestimmter Rhythmus. Häufig arbeitet er auch collagenhaft, springt in den Zeiten hin und her wie jetzt auch bei „Eigentum“.

Das Stück beginnt in der Vergangenheit, springt dann in die Gegenwart und spielt schließlich in einer Zukunft. Ausgangspunkt ist eine Expeditionsreise des britischen Forschers James Cook im Jahr 1793. Wie hängt das mit der Frage des Eigentums zusammen?

Die Sehnsucht des Menschen zu entdecken, zu forschen, sich weiterzuentwickeln, Dinge zu erfinden ist erst mal nichts Schlechtes, sondern etwas Gutes, was uns durch alle Zeiten hindurch begleitet hat. Aber an einem bestimmten Punkt sind wir falsch abgebogen, sagt Thomas Köck. Das war zum Beispiel der Moment, an dem man eine Insel nicht nur entdeckt, sondern auch in Besitz genommen hat, um mittels Ressourcenabbau Geld daraus zu machen. Und da fing dieses toxische Besitzdenken an. Und dieses Eigentumsdenken hat sich in alle Bereiche gefressen und ist nicht mehr zu stoppen.

Schon in diesen ersten Szenen taucht auch die Metapher des Hauses auf, die dann später immer wiederkehrt.

Das Haus ist ein Bild für das Eigentum oder für den Besitz. In der JamesCook-Geschichte ist das fast schon mystisch, wenn sich in diesem Haus ein Abgrund öffnet. Der Kapitän erkennt darin etwas Ungreifbares, das wir uns gar nicht aneignen können, an dem wir gar kein Recht auf Besitz haben. Das Haus ist also auch eine Metapher für den Raubbau an diesem Planeten, den wir Menschen betreiben und zu dem wir kein Recht haben. Thomas Köck kreuzt diese Metapher des Hauses immer wieder mit verschiedenen anderen Bildern, die am Ende in diese Zukunftsvision mit Cyborgs münden; einer Zukunft, die der Mensch sich verbaut durch den Raubbau am Planeten, aber auch den Raubbau an der eigenen Zeit und an den eigenen Kapazitäten – sodass er sich eigentlich das Bleiberecht auf dem Planeten verwirkt hat.

Im ersten Teil taucht diese junge Matrosin Jonas auf, die die Expedition dokumentiert. Sie geht durch die Zeiten und erscheint später auch im Weltraum.

Zu Beginn ist Jonas eine Frau, später eher ein Mann – und wir haben diese Figur auch so besetzt. Also beide Jonas-Figuren, die in der Vergangenheit und die in der Zukunft, ähneln sich darin, dass sie schreiben, einmal diesen Reisebericht, dann die Logbücher des Raumschiffs. Eine weitere Parallele liegt darin, dass beide letztlich Entdecker-Figuren sind, einmal im 18. Jahrhundert und später dann im Weltall. Beide Figuren sind verwandt, leben aber in zwei unterschiedlichen Zeiten.

Der Mittelteil beschreibt dann die Besichtigung eines Hauses inklusive Maklerin und Interessenten, die in die Tausende gehen. Das ist zum Teil sehr komisch. Können Sie beschreiben, wie Thomas Köck hier den Eigentumsbegriff problematisiert?

Thomas Köck hat als Genrebezeichnung seines Stücks „Komödie“ gewählt, was vielleicht nicht für alle Teile des Stücks gilt, aber sicherlich für den zweiten und vierten Teil. Da entwickelt er einen humorvollen, aber auch bösartigen Blick auf diese Hausbesichtigung. Ich wohne in Berlin und da ist es gang und gäbe, dass bei Wohnungsbesichtigungen bestochen wird. Thomas Köck überzeichnet das, indem er die Besichtigung in einen Kriegszustand kippen lässt. Und die Maklerin, die eigentlich nur vermitteln soll, wird in dieser absurden Welt so etwas wie eine Königin der Unterwelt mit einer Macht über Leben und Tod. In dieser Szene zeigt Thomas Köck, wie toxisch dieser Eigentumsbegriff oder der Begriff des Besitzdenkens werden kann. Denn das Denken in Kategorien des Eigentums schließt letztlich auch das Denken in Grenzen ein. Es geht dann eben nicht mehr nur um meinen Privatbesitz, es geht dann auch um den Begriff der Nation. Was gehört uns? Wo machen wir zu? So weit denkt Thomas Köck das Besitzdenken und das ist in einer Welt, in der Krieg herrscht, nicht so weit hergeholt.

Schließlich mündet das Stück in so eine Art Science Fiction-Coda. Ein Trio gleitet in seinem Raumschiff durch den Weltraum und blickt auf die Erde zurück. Lässt sich das noch als Komödie lesen oder ist das schon eine Dystopie?

Aus menschlicher Sicht ist das sehr bitter, finde ich. Aber darin liegt auch ein schöner Hinweis von Thomas Köck, dass es irgendwie weitergehen wird; dass es Wesenheiten geben wird, die uns Menschen überleben, weil sie nicht an unsere leiblichen Lebensbedingungen gebunden sind und es deshalb schaffen, auf einem Planeten, der für uns toxisch geworden ist, weiter zu existieren. Thomas Köck spinnt das Science-Fiction-mäßig aus, lässt Cyborgs auftreten, die wir irgendwann konstruiert haben und die sich ein bisschen freuen, dass sie mehr können als die Menschen. Zur Science Fiction gehört das Was-wäre-wenn. Bei Thomas Köck stirbt der Mensch eben irgendwann aus und irgendetwas Neues entsteht. Er erzählt das eher augenzwinkernd und seine Cyborgs marschieren goldglänzend in den Sonnenuntergang. Es ist unterhaltend und humorvoll trotz der Schwere des Themas und so versuchen wir auch, es auf die Bühne zu bringen.

Eigentum | R: Marie Bues | 29.9.(P), 1., 15., 17., 28.10. | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

Interview: Hans-Christoph Zimmermann

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