Lass doch der Jugend ihren Lauf. So mag man meinen, wenn man die heiligen Hallen des Museum Bonn ersteigt. Räume voller Arbeiten von 53 Malern – nun ja, nennen wir sie mal junge Künstler. 25 Räume läuft man mal nicht so eben ab und man muss schon auf das böse Eye-Catcher-Momentum vertrauen, wenn man eine Ahnung davon bekommen will, wer oder was 2019 gern den Kunstmarkt fluten möchte und warum. Es ist dieser Apell „Hört auf zu malen“ (Jörg Immendorff, 1966), der in jeder erdenklichen Formulierung noch durch die Malerei geistert und die Künstler Generation auf Generation immer wieder ad absurdum führt.
Insofern nehmen wir uns die (Mülheimer) Freiheit und rauschen hinein in die neue Zeitgenössigkeit, in das „Jetzt!“, wie die Ausstellung in vier deutschenKunstmuseen (neben Bonn auch in Chemnitz, Hamburg und Wiesbaden) heißt, die den bravourösen Versuch unternimmt, die Maler unter den 30-40-Jährigen zu bestimmen, deren Werke nun musealen Standard genießen könnten. Der Konjunktiv ist Absicht, bei rund 500 Arbeiten können nicht nur Highlights dabei sein, also ist das größte Problem bei der Betrachtung erst einmal die schiere Masse. Und um es gleich vorweg zu sagen: Lassen Sie sich als Besucher in Bonn ausreichend Zeit für deren 150 Tafelbilder. Auf Regen folgt immer Sonne, sagt ein altes Sprichwort und das passt mal wieder formidabel.
Mein erstes Highlight, das im Kopf hängen bleiben wird, istLydia Balke mit ihren skurrilen Bildinhalten. Die Hamburgerin, die für niemanden malt und doch traditionell heißt, „Öl auf Nessel“, kreiert Szenerien, deren Dramaturgie einen lange beschäftigt. Ähnlich ist das bei Kristina Schuldt, auch hier ein völlig durchgeknallter Mix aus Stilen, Formen und Farben. Längst einen Raum weiter versucht der Kopf immer noch ein Gesamtbild zusammenzusetzen.Sieben Ausstellungsmacher sollen zwei Jahre lang durch Ateliers in Deutschland getourt sein, um zu sehen, wo das haptisch echte, nach Farbe und Firnis riechende Tafelbild heute steht, oder schon für harte Währung in Galerien hängt. So ist das eben heute. Früher adelte das Museum die Qualität, heute muss es froh sein, wenn es überhaupt noch eine Rolle spielt im substanzlosen Gefecht des globalisierten Kunstmarktes. Malt trotzdem weiter.
„Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ | bis 19.1. | Kunstmuseum Bonn | 0228 77 62 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Einzelgänger der Malerei
Bruno Goller im Kunstmuseum Bonn
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Die Farbe der Ironie
Bonn zeigt Werkschau zu Wiebke Siem – Kunst 07/23
Aus dem Nachbarland
Dorothea von Stetten-Kunstpreis im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/22
Reise ins Körpergehäuse
Maria Lassnig im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 03/22
Ursachen der kunstvollen Wirkung
„Passierschein in die Zukunft“ im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 12/21
Betörende Melancholie garantiert
Norbert Schwontkowski im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 01/20
Maler unterwegs
„Jetzt!“ im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/19
Digital, böse, und etwas flüssig
Der dänische Blick: 18. Dorothea von Stetten Kunstpreis in Bonn – Kunstwandel 09/18
Die Vorstellungen weigern sich
Thomas Scheibitz im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/18
Dachlatten und Kaviar
Georg Herold im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/17
Vorgarten der Unendlichkeit
Drei Ausstellungen zwischen Mensch und All – Galerie 12/24
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24