Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17

12.577 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Reise ins Körpergehäuse

07. März 2022

Maria Lassnig im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 03/22

Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Welt ist das eine, die Auseinandersetzung mit sich selbst ist dagegen eine diffizile Kunst, deren Ausgang immer unvorhersehbar, oft sogar schier unmöglich scheint. Die Malerin Maria Lassnig (1919-2014) hat sich diesen Mysterien des Unmöglichen gestellt. Das einzig wirklich reale seien ihre Gefühle innerhalb des Körpers gewesen, wird sie zitiert. Die Österreicherin, die lange ihre Position in der Kunstgeschichte suchen musste und erst durch eine Professur ins leuchtende Licht des Kunsthandels flog, gilt heute als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts. Ihr wird jetzt im Bonner Kunstmuseum eine große monografische Ausstellung gewidmet, die rund 40 zum Teil großformatige Arbeiten quer durch ihre Schaffenszeit zeigt und damit im Querschnitt fast retrospektive Züge annimmt.

Los geht’s mit einer Gruppe Selbstportraits, die das thematische Gerüst der Ausstellung bilden. Darunter die Bild-Ikonen „Selbstportrait mit Stab“ (Öl und Kohle auf Leinwand, 1971), „Du oder Ich“ (Öl auf Leinwand, 2005) und das letzte Portrait „mit Pinsel“ (Öl auf Leinwand, 2013). Thematisch gefasst sind die folgenden Räume. Die besonderen Erkenntnisse Lassnigs beziehen sich immer auf die Körperlichkeit und die damit verbundene Innenwirkung. Meist malte sie zwar Körper, allerdings blickte sie dabei mit einem Auge immer hinter die Hülle, meist ihre eigene, und was sie sah, schien sie mal zu belustigen, mal zu erschrecken. Ihr „Selbstportrait unter Plastik“ (Öl auf Leinwand, 1972) könnte man auch als selbstvergessene Künstlerin mit starrem Blick unter einer Plastiktüte deuten – glücklicherweise scheint diese am Haaransatz offen zu sein. Diese konzentrierte Suche nach dem Körperbewusstsein war nie beendet. Das Tagebuch-Zitat „Die Sinneswahrnehmungen der Menschen sind noch lange nicht ausgeschöpft, sie verkommen und werden verwahrlost“ im Themenkomplex „Sprache“ zeigt dies deutlich und lässt ihre persönliche Reise durchs Innere quasi als Pandemiereflex erscheinen. „Wach bleiben“ hat Kuratorin Stefanie Kreuzer den Überblick über das Schaffen Maria Lassnigs genannt. Vielleicht ist das das größte Problem bei der Erforschung des Selbst in der Isolation. Auch das hört sich sehr nach frei gewählter Quarantäne an.

Maria Lassnig. Wach bleiben | bis 8. Mai | Kunstmuseum Bonn | 0228 77 62 60

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24

Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24

Die Farbe der Ironie
Bonn zeigt Werkschau zu Wiebke Siem – Kunst 07/23

Aus dem Nachbarland
Dorothea von Stetten-Kunstpreis im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/22

Ursachen der kunstvollen Wirkung
„Passierschein in die Zukunft“ im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 12/21

Betörende Melancholie garantiert
Norbert Schwontkowski im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 01/20

Maler unterwegs
„Jetzt!“ im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/19

Früher adelten die Museen Qualität
Mehr als 500 Bilder: „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ – Kunstwandel 11/19

Digital, böse, und etwas flüssig
Der dänische Blick: 18. Dorothea von Stetten Kunstpreis in Bonn – Kunstwandel 09/18

Die Vorstellungen weigern sich
Thomas Scheibitz im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/18

Dachlatten und Kaviar
Georg Herold im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/17

Jeder Zyklus hat einen Anfang
Der frühe Gerhard Richter im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/17

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!