Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Forum.

Es gibt 1 Beitrag von witt

Dogville

weitere Infos zu diesem Film | 18 Forenbeiträge

kunst - so sie diesen namen noch verträgt

09.11.2003

das genie ist zwar keine kategorie mehr. wo abgedroschenes zusammengekehrt wird, da findet man kein körnchen wahrheit. sondern nur noch die streu von binsenweisheiten wie "anything goes" und "trash is beautiful".
aber: von trier schafft es mit seinen filmen, die dringlichkeit moralischer fragen und die frage nach ästhetischer konsequenz bildhaft, originell und zugleich ironisch, und auf eine sehr eigenartige weise neu darzustellen. und deshalb möchte ich vorschlagen, ihn doch - ausnahmsweise - zu einem genie zu erklären. denn auch in seinem neuesten film dogville findet man nichts abgenutztes, nichts langweiliges. sondern ein unglaublich komplexes, romantisch geniales gebilde.
meisterhaft (man entschuldige dieses etwas antiquierte wort), den kinoverbildeten zuschauer 178 minuten lang mit einer einerseits eigensinnigen ästhetik, andererseits scheinbar veralteten, alttestamentarischen moralproblemen zu konfrontieren, ohne ihn auch nur eine minute zu langweilen. experimentelle kunst des eigensinns, wie sie in der moderne zum standard geworden ist, tendiert dazu, ein gefühl des überdrusses beim betrachter zu erzeugen. von trier erfindet etwas, das ein neuer, aufregender standard werden könnte: die spannung gegen den terror der beliebigkeit. seine kategorien sind, so merkwürdig das erscheint, die der tradition, kategorien der vormodernen religion und der vorpostmodernen kunst. und er verweist darauf ohne rücksicht. keine gnade für zeitgenössische bequemlichkeiten, denn er schont nicht - wohl mit genuss - die sicheren einsichten in die vergeblichkeit oder das gelingen sowohl moralischer als auch ästhetischer anstrengungen. das unterscheidet ihn übrigens deutlich von tarantino, der sich im gegensatz zu trier in ironischen pirouetten mit hilfe antibürgerlicher gewaltinszenierungen auf amerikanisch amüsante art dem ergibt, dem er kampf angesagt zu haben vorgibt: dem moralisch und ästhetisch scheiterndem mainstream. trier führt seinen unnachgiebigen kampf ohne bitterkeit, sondern mit einer beeindruckenden, mikroskopisch genauen mischung aus ironie und ernsthaftigkeit. einfach erstaunlich, wie er spiel, experiment, wagnis mit unerbittlichkeit, tragik, tiefe verbindet.
das ist große kunst. schaut euch diesen film einer seltenen haltung an. von so etwas möchte ich mehr sehn. nicht nur im film.

Neue Kinofilme

Die leisen und die großen Töne

Film.

HINWEIS