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Kinds of Kindness

Kinds of Kindness
Irland, Großbritannien, USA 2024, Laufzeit: 164 Min., FSK 16
Regie: Yórgos Lánthimos
Darsteller: Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe, Margaret Qualley
>> www.kindsofkindness.de/

Bitter-satirischesTriptychon

Be Free!
„Kinds of Kindness“
von Yórgos Lánthimos

Spätestens mit „Poor Things“ (2023) hat inzwischen auch Hollywood Yorgos Lanthimos für sich entdeckt. Dabei ist der griechische Regisseur dafür viel zu unangepasst. Folglich wird Lanthimos durchaus mal mit seinem Film oder als Drehbuchautor für den Oscar nominiert – aber er bekommt den Oscar nicht. Der Oscar geht an seine Hauptdarstellerinnen (Emma Stone: „Poor Things“, Olivia Coleman: „The Favourite“, 2018). Lanthimos selbst räumt woanders ab: als bester Film, für das beste Drehbuch oder für die beste Regie in Cannes und in Venedig, bei den Golden Globes oder beim Europäischen Filmpreis. Dass er in Hollywood leer ausgeht, das wurmt Lanthimos nicht. Ganz im Gegenteil: Nach „Poor Things“ tut sich der Regisseur wieder mit seinem alten Weggefährten Efthymis Filippou zusammen, der als Koautor die Drehbücher zu seinen kleinen, gemeinen Filmen mitverantwortet, sei es „Dogtooth“(2009), „The Lobster“ (2015) oder „The Killing of a Sacred Deer“ (2017). Letzterer spielte erstmals in den USA, so wie nun auch „Kind of Kindness“. Der Film ist unbequem. Und er passt dorthin. In die USA. Nach Hollywood.

Lanthimos und Filippou haben mit „Kinds of Kindness“ ein filmisches Triptychon der besonderen Art ersonnen: Drei kurze Spielfilme in einem, in denen ein geheimnisvoller Mann namens R.M.F. verbindendes Element und Garant desselben Universums ist. Zugleich stemmen die Hauptdarsteller:innen (darunter Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe und Margaret Quatley) in wechselnden Rollen alle drei Kapitel. Die erste Geschichte erzählt von einem Angestellten, der sich seinem Chef bis hinein in die intimste Lebensplanung unterwirft. In der zweiten Episode kehrt eine Frau nach einem Schicksalsschlag seltsam verändert zu ihrem Ehemann zurück, was die Beziehung herausfordert. Im finalen Kapitel sucht eine Sekte ihre Erlöserin, während eines ihrer Mitglieder um die Zugehörigkeit bangen muss.

Wie in „Dogtooth“ oder „The Lobster“ schöpft Lanthimos aus dem sozialen Gerüst, in dem sich der zivilisierte Mensch eingerichtet hat, und verkehrt die Regeln des Miteinanders genüsslich, verstörend und auch mal blutig ad absurdum bis in die Dystopie. Wieder und wieder fächert der Regisseur die Kehrseiten vom kollektiven Miteinander und von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit auf und transferiert die Auswüchse von Abhängigkeit innerhalb einer übersteigerten Hierarchie in irrwitzige Fabeln. Menschen suchen, mal systemübergreifend („The Lobster“) oder wie hier in der individuellen Lebenswelt, nach Sicherheit, Stabilität, nach Gleichgesinnten. Konformer Komfort. Seichte Freiheit. Der Preis für Sicherheit und Erfüllung ist dabei die Selbstaufgabe. Ein sorgloses Leben ist eng geknüpft an starre Regeln. In „Kinds of Kindness“ entspricht am Ende jegliches Miteinander, von der Partnerschaft bis zum gesellschaftlichen System, einer Sekte: einer reglementierten Abhängigkeitsgemeinschaft, die eine heile Welt vorspiegelt und Erfüllung verspricht. Ein geschlossener Kosmos, der weder Änderungen noch Entwicklungen noch Ausbruch zugesteht. Stattdessen: Masochistische Unterwerfung. Wer ausbricht oder ausgeschlossen wird, scheitert existenziell. Die Sehnsucht nach der stabilen, unerschütterlichen, konfliktfreien Komfortzone in Partnerschaft, Arbeits- und Lebenswelt. Die Sehnsucht nach einem Leben ohne Verantwortung. Die Sehnsucht nach einfachen Antworten. Nach dem einfachen Raster. Die Sehnsucht nach: Einfach. Willkommen in der Realität.

Yorgos Lanthimos und Efthymis Filippou sind Satiriker, sind Clowns. Und sie sind grausam. Sie bieten weder Erlösung noch Happy End. Lediglich die mittlere Episode dieses Films darf, je nach Lesart, hoffnungsvoll enden und gipfelt in einer heiteren Bildcollage. In Leichtigkeit. Alles davor und danach lässt zwar immer wieder bittersüß auflachen, stößt aber am Ende in die Magengrube – erst recht dann, wenn die Protagonist:innen denken, sie seien angekommen. Lanthimos bleibt zu wünschen, er bliebe – anders als seine Filmfiguren – unangepasst. Auch, wenn er dafür keinen Oscar bekommt.

(Hartmut Ernst)

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