Die aktuelle Ausstellung im KunstRaum St. Theodor entfaltet Tagträume. Die Werkschau „Übergänge des Willens“ von Antonio Arias taucht die Besucher:innen der Galerie im Gotteshaus in den Schwebezustand zwischen driftendem Bewusstsein und gefestigtem Schlummer: Der junge Absolvent der Düsseldorfer Kunstakademie verführt in dreizehn Öl- und Acrylgemälden zum vorübergehenden Schlafwandeln. Als leichtes Narkosemittel verwendet der gebürtige Kolumbianer Essenzen von Universalgenie Salvador Dali („Remedios la Bella“, „Himmelfahrt“), Regisseur Pedro Almodóvar („Pink, Blue and Kid“, „Portrait of my Mother“) und mit seinem Gemälde „The open Window of Kafka ...“ auch vom gleichnamigen Literaten.
Die Sammlung offenbart, wie eng nicht nur im Wortsinne, sondern auch in der Empfindung Genres wie Realismus und Surrealismus beieinander liegen und bei plakativer Stille in purpurroten oder azurblauen Kleidern ihre Hochzeit zelebrieren. Doch hier lacht kaum jemand. Den Kontrasten zum Trotz finden sich auch wenige Hinweise auf Leid im Oeuvre. Vielmehr achtet Arias in der Schöpfung seiner Figuren und Formen auf eine schwer zu durchdringende Spärlichkeit im Ausdruck. Ebenso deutet die hintergründige Ordnung der Landschaften auf das Streben nach Struktur.
Der Modus steht auf „Ruhe“. Selbst bei einem offensichtlichen Geschlechtsakt mehrerer Personen („somnium lupercalias“) neutralisiert der Künstler Nacktheit und Lust mit der Gesichtslosigkeit der Leinwandcharaktere. Jener „Traum des Lupercus“, der Bezüge zu einem Fruchtbarkeitsfest in der römischen Antike aufweist, macht sich in der Katholischen Kirche an der Vingster Burgstraße besonders gut und vermag zumindest für viereinhalb Augenblicke die Kritik an den konservativen Leitlinien der Institution zu mildern, nur um diese Pracht mit einem Porträt des ehemaligen Rennfahrers Ralf Schumacher und dessen Hund, Lilly, zu konterkarieren. Doch an diesem sakralen Ausstellungsort ist die Vergebung für eine Sünde inbegriffen. Was hat es nun mit den hervorgehobenen „Übergängen des Willens“ auf sich? Sie offenbaren sich vielleicht aus verschiedenen Perspektiven von Träumern und Wachen, die in ihren jeweiligen Daseinszuständen nur auf den richtigen Moment zum Aufbruch warten.
Antonio Arias: Übergänge des Willens | bis 7.7. | Sa 13-15 Uhr, So 12-13 Uhr u. n. Ver. | KunstRaum St. Theodor, Katholische Kirchengmeinde St. Theodor/St. Elisabeth Köln-Höhenberg-Vingst | www.wp.kkg-hoevi.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Malerei nach der Malerei
Egan Frantz in der Galerie Nagel Draxler
Tiefe Fetzen Wirklichkeit
Marcel Odenbach bei Gisela Capitain
„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24
Suche nach Menschlichkeit
Burkhard Mönnich in der Galerie Martinetz – Kunst 05/24
Steigen, Verweilen, Niedersinken
Nadine Schemmann mit zwei Ausstellungen in Köln – Kunstwandel 05/24
Das Verbot, sich zu regen
„Es ist untersagt ...“ von Frank Überall im Gulliver – Kunstwandel 04/24
Makroproteste in der Mikrowelt
Agii Gosse in der Galerie Landmann-31 – Kunstwandel 03/24
Mehr als Bilder an der Wand
„Museum der Museen“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/24
Vorgarten der Unendlichkeit
Drei Ausstellungen zwischen Mensch und All – Galerie 12/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24