Mittwoch, 19. September: Bereits zum 16. Mal steht Köln für elf Tage lang ganz im Zeichen aktuellen Filmschaffens vom afrikanischen Kontinent. Auf dem Afrika Film Festival Köln werden noch bis zum 23. September Filme aus den unterschiedlichsten afrikanischen Ländern präsentiert, über 20 Gäste diskutieren im Anschluss an die Vorführungen darüber hinaus mit dem Publikum über ihre Werke. 2018 hat man einen Fokus auf das Thema „innerafrikanische Migration“ gelegt, da es sich dabei nach wie vor um eines der drängendsten Probleme des Kontinents handelt. Politische Verfolgung oder wirtschaftliche Zwänge führen dazu, dass sich auch innerhalb des Kontinents unzählige Menschen auf der Flucht befinden, um in anderen Ländern lebenswürdigere Bedingungen für sich zu suchen. Natürlich enthält das Programm des Festivals aber auch andere Filme, die sich mit Alternativen beschäftigen, um die derzeitigen Verhältnisse in Afrika zu verändern. So beispielsweise Dieudo Hamadis („Mama Colonel“) neuer Film „Kinshasa Makambo“, in dessen Mittelpunkt die politischen Unruhen in der Demokratischen Republik Kongo stehen, die 2016 begannen, als Präsident Joseph Kabila sein Amt nicht räumen wollte, obwohl er nach zwei Amtszeiten nach kongolesischer Verfassung eigentlich nicht wiedergewählt werden konnte.
Regisseur Hamadi, der trotz seiner regimekritischen Filme nach wie vor in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa lebt, konnte zur Vorführung seines Filmes nicht nach Köln reisen. Stattdessen hatte das Festival mit seiner Editorin Hélène Ballis einen interessanten Ersatz gefunden. Gemeinsam mit der ebenfalls aus dem Kongo stammenden Journalistin und Filmemacherin Wendy Bashi sprach sie im Anschluss an die Projektion über die Dreharbeiten und beantwortete die Fragen des Publikums. Dieudo Hamadi porträtiert in seinem Dokumentarfilm drei junge Widerstandskämpfer, die teilweise die Bemühungen des UDPS-Anführers Étienne Tshisekedi unterstützten und sich auf Demonstrationen für die Absetzung Kabilas stark machten. Alle drei hatten früher oder später aufgrund ihres politischen Engagements Probleme mit der Regierung bekommen, wurden inhaftiert oder mussten ins Exil gehen, um einer Verhaftung zu entgehen. Wendy Bashi attestierte, dass „Hamadi im Film seine Spuren hinterlassen hat, dass man den Eindruck erhält, es würde zwischen ihm und den Porträtierten ein Dialog entstehen“. Das bestätigte auch seine Editorin Ballis, die anmerkte, dass alle Filme Hamadis mitten im Geschehen stattfänden und deswegen eine Unmittelbarkeit besäßen. Ballis erläuterte weiter, dass Hamadi ursprünglich geplant hatte, lediglich einen Film über seinen Protagonisten Ben zu realisieren. Nachdem dieser beim Aufstand im Jahr 2016 ins Visier der Behörden geraten war, musste er ins Exil gehen und fand in den USA eine kurzfristige neue Heimat. Da dort sein Asylantrag aber abgelehnt wurde, kehrte er schon wenige Monate später in den Kongo zurück.
Daraufhin entschied sich der Regisseur, seinen Film auch den beiden anderen Widerstandskämpfern Christian und Jean-Marie zu widmen, die er allerdings im Vorfeld noch gar nicht gekannt hatte. Die Dreharbeiten, die teilweise auch auf den Demonstrationen stattfanden, bei denen die Polizei auf Rebellen schoss, wären laut Hélène Ballis dennoch vergleichsweise unproblematisch abgelaufen. Den anstehenden Wahlen, die nun auf den 23. Dezember 2018 festgesetzt wurden, sehen sowohl Ballis als auch Wendy Bashi mit gemischten Gefühlen entgegen. Eine dritte Amtszeit Kabilas ist nach wie vor nicht ausgeschlossen, zumal nach dem Tod Étienne Tshisekedis die Opposition ohne Führung dasteht und auseinanderzufallen droht. Wendy Bashi merkte hierzu an: „Jugendliche wie die im Film porträtierten könnten eine Gegenmacht sein. Sie sind aber noch nicht bereit dazu, weil sie sich noch in der Erprobungsphase befinden. Wir brauchen noch Zeit im Kongo, damit sich die Dinge entwickeln können.“ Auf Nachfragen aus dem Publikum verneinte Hélène Ballis, dass Dieudo Hamadi mit seinem Film propagandistische Ziele verfolge oder Menschen im Ausland für das Thema sensibilisieren wolle. Stattdessen wolle er ein Zeitdokument erstellen, da im Kongo ohnehin recht wenig Filme realisiert würden. Auch für Bashi ist Hamadi ein „Chronist der kongolesischen Geschichte geworden, auf den sein Volk stolz sein sollte.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
„Festivals sind extrem wichtig, um Vorurteile abzubauen“
4 Fragen an Sebastian Fischer, Leiter des Afrika Film Festivals Köln – Festival 09/23
Alte und neue Filmschätze
Das Afrika Film Festival zeigt Filmkunst als Raum für Aktivismus – Festival 09/23
Verbindung zweier Welten
Afrika Festival in Bad Godesberg – Musik 07/23
„Die Innovationskraft des afrikanischen Kontinents hervorheben“
Martina Gockel-Frank und Dr. Clemens Greiner über die „European Conference on African Studies“ – Interview 05/23
Tauziehen um Kunst aus Afrika
RJM präsentierte eine Diskussion mit Kunsthistorikerin Bénedicte Savoy – Kunst 05/21
Doppelt diskriminiert
„African Shorts: Queer – Decolonizing the Gaze“ im Filmforum – Foyer 09/20
Kleine, aber sehr feine Filmauswahl
Afrika Film Tage ersetzen in diesem Jahr das Afrika Film Festival – Festival 09/20
choices-Preis für Anti-Kriegs-Drama
„La miséricorde de la Jungle“ gewinnt beim Afrika Film Festival
Kritik am Kapitalismus
„Hyènes“ im Filmforum – Foyer 09/19
Panafrikanismus
Ein Festival für den afrikanischen Film – Festival 09/19
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24