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Stargast Misael Franco alias Miss Immigration
Foto: Frank Brenner

Doppelt diskriminiert

20. September 2020

„African Shorts: Queer – Decolonizing the Gaze“ im Filmforum – Foyer 09/20

Samstag, 19. September: Das Corona-Virus hat auch das FilmInitiativ Köln e.V. in diesem Jahr vor ungewohnte Probleme gestellt. Die Veranstalter des traditionellen Afrika Film Festivals Köln, das in diesem Jahr zum 18. Mal über die Bühne gehen sollte, sahen sich mitten in den Vorbereitungen mit Abstands- und Hygieneregeln und weltweiten Lockdowns konfrontiert. Anstatt das Festival komplett ausfallen zu lassen, entschieden sich Festivalleiter Sebastian Fischer und sein Team für eine abgespeckte Form unter dem Titel „Afrika Film Tage“, die nun in Köln vom 17. bis 24. September 2020 stattfindet. Nur 29 statt 80 Filme werden gezeigt, sechs statt 30 internationale Gäste geben sich in der Domstadt die Ehre, und lediglich 60 anstatt der ansonsten 260 nutzbaren Kinositze stehen für die Vorführungen im Filmforum zur Verfügung. Auch das liebgewonnene Drumherum mit Info-, Musik- und Bücherständen im Foyer, Livemusik, afrikanischem Essen und die Festivalparty mussten in diesem Jahr aufgrund der Pandemie abgesagt werden. Immerhin war es möglich, für einige der Veranstaltungen doch noch internationale Gäste nach Köln zu bringen, die sich im Anschluss an die Projektionen der Filme den Fragen des interessierten Publikums stellten.


Kuratorin Thembi Nhlekisana, Foto: Frank Brenner

So stand der Samstagabend ganz unter dem Motto „African Shorts: Queer – Decolonizing the Gaze“. Insgesamt fünf Kurzfilme gelangten dabei zur Aufführung, die sich mit queeren Themen und der Doppelproblematik auseinandersetzten, denen dunkelhäutige und nicht der Heteronorm entsprechende Menschen auf der ganzen Welt häufig ausgesetzt sind. Die Geschichten selbst waren dabei nur selten auf dem afrikanischen Kontinent selbst verortet, sondern befassten sich überwiegend mit der Lebenssituation dunkelhäutiger Menschen in Europa (England und Frankreich) respektive in Brasilien. Aus dem südamerikanischen Land waren mit „Estrela solitária“ (Lonely Star) von Iwan Silva und „Negrum3“ von Diego Paulino gleich zwei Filme im Programm. Außerdem konnte man den Festivalbesuchern zu Letzterem eine Videobotschaft des Regisseurs einspielen sowie mit Misael Franco alias „Miss Immigration“ einen der Protagonisten des Films als Stargast im Filmforum präsentieren. Moderatorin Ana Flavia Silva stellte zu Beginn der Gesprächsrunde noch einmal klar, dass es bei den ausgewählten Kurzfilmen nicht nur um queere Menschen gegangen sei, sondern dass es auch wichtig gewesen wäre, dass diese ihre eigenen Geschichten selbst erzählten. Im Falle von „Negrum3“ hätte dadurch der Schwerpunkt auf der Präsentation „fröhlicher schwarzer Menschen“ gelegen. Ein interessanter Ansatz, zumal Brasilien nun gerade unter Präsident Jair Bolsonaro für queere Menschen kaum Anlass zur Freude bietet.


Moderatorin Ana Flavia Silva, Foto: Frank Brenner

Miss Immigration berichtete im Gespräch dann aber auch von ihrer schwierigen Zeit im Jahr 2010 an der Universität von Salvador. Obwohl die Stadt den größten Anteil dunkelhäutiger Menschen außerhalb Afrikas aufweist, musste Miss Immigration auch damals schon Homophobie und homophoben Rassismus am eigenen Leib erfahren. „Queer in Brasilien zu sein ist ganz anders als in Europa, erst recht, wenn man dunkelhäutig ist. Das ist dort oftmals eine Frage des täglichen Überlebens“, erläuterte der Stargast im Gespräch mit Silva. Miss Immigration lebt mittlerweile in Europa, obwohl sie natürlich viel lieber in ihrer Heimatstadt wohnen und arbeiten würde. Doch die Lebensumstände haben sie zur Immigration gezwungen. „In Europa gibt es für mich viel mehr Möglichkeiten. Ich entwickle hier Dinge, die ich in meine Heimat zurückbringen will. Ich kann hier etwas zurückholen, was uns die Kolonialisierung genommen hat“, ergänzte Misael Franco. Auf Nachfrage aus dem Publikum, inwiefern Bolsonaros Politik nun zu weiteren Einschränkungen geführt habe, erläuterte die Künstlerin und Aktivistin: „Besonders die Kürzungen im Film- und Kulturbereich, die Bolsonaro in die Wege geleitet hat, sind schlimm. Aber die sozialen Probleme haben in Brasilien schon lange vor seinem Amtsantritt bestanden, die haben ihren Ursprung bereits in der Zeit der Kolonialisierung des Landes.“ Wer Interesse daran hat, über das Wirken der in „Negrum3“ porträtierten BrasilianerInnen auf dem Laufenden gehalten zu werden, kann auf Social-Media-Kanälen dem queeren intersektionalen Kollektiv DEMASK folgen, die den Kurzfilmabend bei den „Afrika Film Tagen“ kuratiert haben.


Ana Flavia Silva im Gespräch mit Gast Miss Immigration, Foto: Frank Brenner
Frank Brenner

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