Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.584 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Winslow Homer, Ein Krocketspiel, 1866, Öl auf Leinwand, 60,3 x 87,9 cm
New Haven, Yale University Art Gallery, Bequest of Stephen Carlton Clark, B.A. 1903

Weites Land

20. Dezember 2018

Amerikanische Kunst im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 01/19

Das Wallraf-Richartz-Museum ist ein Ort faszinierender Kunstwerke und spannender Ausstellungen. Das Zweite gilt erst recht für „Es war einmal in Amerika“, weil diese Schau fast ausschließlich aus Gemälden uns kalt erwischt und wir uns zunächst mit Unverständnis, Irritation und schließlich doch Begeisterung durch den Ausstellungsparcours begeben.

Tatsächlich ist der Realismus mancher der Gemälde, mit denen die Ausstellung Mitte des 17. Jahrhundert – in der Kolonialzeit – einsetzt, flach. Gerardus Duycking zum Beispiel mit seinem „Porträt eines Jungen aus der Familie De Peyster, mit einem Reh“ (um 1730/35), malt die Figuren schematisch. Duycking hat die Motive aus Druckgraphiken anderer Künstler übernommen, aus denen die Auftraggeber wählen konnten, und ist in der Schlichtheit der Übersetzung wohl noch deren puritanischem Geschmack gefolgt. Gerade den frühen Gemälden der Ausstellung liegt an der Formulierung von Nationalstolz – 1776 wird die Unabhängigkeitserklärung formuliert – etwa in den Politikerporträts oder in der Verwendung heroischer Motive, zumal in Verbindung mit Historiengemälden. Aber die heldenhaften Szenen sind lediglich ein Teil dieser mitunter hochkomplexen Bilder.

John Singleton Copleys „Watson und der Hai“ (1782) geht auf ein Ereignis im Hafenbecken von Havanna zurück, in dem ein Hai einen Jungen angegriffen hat. Gezeigt wird nun, wie die Besatzung eines Kahns den Jungen rettet und den Hai mit dem Bootshaken attackiert. Singleton Copley hat von der europäischen Tradition gelernt, die er einige Jahre vor der Bildentstehung auf Studienreisen durch Europa kennengelernt hat. So ist die Körperhaltung des zustechenden Matrosen von Guido Renis Erzengel Michael im Kampf gegen Satan beeinflusst.

Die Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum veranschaulicht ein allmähliches Hineintasten in die europäischen Stile, was man in der Sammlung des Museum natürlich grandios mitverfolgen kann. Die Romantik findet sich etwa in Thomas Coles „Vertreibung, Mond und Feuerschein“ (um 1828) mit einer Steinbrücke in einer kargen, gebirgigen Landschaft. Es geht um die Verjagung von Adam und Eva aus dem Garten Eden und die glühende Düsternis der Darstellung übernimmt den allegorischen Part. Beim Steinbogen aber hat sich Cole an den White Mountains von New Hampshire orientiert. Andere Gemälde zeigen die Landschaft als Weite mit tief sitzendem Horizont und spiegeln die geographischen Eigenheiten der Vereinigten Staaten wider. Hinzu kommt die Ehrfurcht vor der Natur. Im 19. Jahrhundert lassen sich auch europäische Maler in den USA nieder, etwa Albert Bierstadt aus Solingen oder der Rheinländer Emanuel Leutze, der in der Ausstellung leider fehlt. Mit dem Impressionismus setzt dann ein Austausch mit britischen Künstlern ein; zugleich wird Paris zum Zentrum der internationalen Kunst. Eine Gegenbewegung initiiert die Ashcan School unter der Leitung von Robert Henri, der zunächst in Philadelphia und nach 1900 in New York lehrte und etwa John Sloan und Maurice Prendergast ausbildete. Der atmosphärischen Weite wird die Kleinteiligkeit des Molochs Großstadt entgegengesetzt. Erneut klingt der Überlebenskampf bei den Boxspektakeln von George Bellows und George Benjamin Luks an, denen es noch um die Milieuschilderung des Publikums ging.

Mit Edward Hopper findet eine Hinwendung zum Seelenleben des einzelnen Menschen statt, ehe sich New York anschickt, Paris den Rang als Welthauptstadt der Kunst abzulaufen. Das geschieht mit dem abstrakten Expressionismus und der Farbfeldmalerei, die im Wallraf-Richartz-Museum ziemlich knapp abgehandelt werden. Die USA führen damit wahrscheinlich erstmals globale Stile an. Inwieweit sie dabei ihre Identität bewahren, wäre eine Fragestellung für eine andere Ausstellung – für andere Museen. Also, das Wallraf-Richartz-Museum hat seinen Job sehr gut gemacht.

Es war einmal in Amerika | bis 24.3. | Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud | 0221 22 12 11 19

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Eine Geschichte des Ausstellens
„Museum der Museen“ im Wallraf-Richartz-Museum

Anpassung und Eigensinn
„1863 – Paris – 1874: Revolution in der Kunst“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 05/24

Eine schrecklich alte Geschichte
„Susanna“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/22

Geduldiges Sehen
Spanische Barockmalerei im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 09/21

„Wir haben alles, was man für eine Party braucht“
Isabelle Hamm und Annika Flamm zur 16. Kunstnacht – Interview 02/20

Rembrandts Leben
Eindrucksvoll: Rembrandt im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 02/20

Großer Bahnhof für ein altehrwürdiges Tafelbild
Die „Thronende Madonna“ bleibt im Wallraf-Richartz-Museum – Kunst 09/18

Spielend Kunst verstehen
Studenten entwickeln Videospiele für das Wallraf-Richartz-Museum – Kunst 06/18

Film zur Ausstellung
„I Am Not Your Negro“ im Filmforum – Foyer 03/18

Ein genialer Maler
Tintoretto mit seinem Frühwerk im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/17

Über der Landschaft
„heiter bis wolkig“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 10/17

Unter Meistern
Die Stiftung Bührle im Wallraf-Richartz-Museum Köln – Kunst in NRW 12/16

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!