Grundsätzlich sollte man ja von ernsthaften Schauspielern erwarten, dass sie, von der Schwiegermutter bis zum Aschenputtel, vom Schlächter bis zum Screwball-Hampel, alle Rollen auszufüllen imstande sind. Das Kino allerdings beansprucht eher selten derlei Repertoire, denn wer einmal erfolgreich aufspielt, ist rasch stigmatisiert und auf Figuren festgelegt. Was die einen frustriert, kommt denen zugute, die ohnehin limitiert sind in ihrer Bandbreite: Kinski, Ferres, Schweiger, um mal drei zu nennen, die man eigentlich nicht gemeinsam nennt. Sie dürfen sich aussuchen, wer da jetzt nicht reinpasst – tatsächlich ist es die Ferres, die ja eher gar keiner Rolle gerecht wird.
Aber wir schweifen ab. Nun gilt das, was vor der Kamera gilt, auch für die Dirigenten dahinter, die sich rasch in Genres einnisten. Alfred Hitchcock war stilprägend in seinem Metier, der Ausflug mit seiner Screwball-Komödie „Mr. und Mrs. Smith“ blieb eine Ausnahme. David Lynch ist stilprägend in seinem Metier, der Ausflug mit seinem Roadmovie „A Straight Story“ – bleibt eine Ausnahme. Wobei, David Lynch ist ohnehin kein Genrewanderer, er ist genreprägend. Ähnlich verhält es sich bei Terry Gilliam, der in diesem Monat mit seinem „Don Quixote“ erneut darlegt: Er macht nicht sonstwas, er macht einen Terry-Gilliam-Film.
Hitchcock ist Hitchcock, Lynch ist Lynch, Gilliam ist Gilliam. Das lässt sich auch fernab originärer Gefilde in die Standard-Genres fortführen: Bully mag’s witzig, Eli Roth mag’s blutig, Brian Henson mag, wie schon Papa Jim, Kermit und Miss Piggy. Wobei: Was ist denn da im Oktober los? Eli Roth, der mit „Hostel“ einst die neue Folterfilm-Welle maßgeblich vorantrieb und für den bisher alles unter FSK 16 ein blutrotes Tuch bildet – Eli Roth verantwortet jetzt einen Kinderfilm („Das Geheimnis der verlorenen Uhren“)! Und hierzulande betritt Deutschlands erfolgreichster Leinwand-Clown Michael Bully Herbig („Der Schuh des Manitu“) Neuland und kommt mit einem Drama über eine DDR-Flucht („Ballon“) daher. Als wäre das nicht schon genug Genrebruch für einen Monat, liefert Brian Henson, der bisher allerlei familienfreundliche Muppets-Filme fabriziert hat, plötzlich einen derb versauten Puppenfilm für Erwachsene („The Happytime Murders“) ab!
Warum machen die das, und warum erst jetzt? Nun, vermutlich liegt’s am Alter: Die drei Herren sind im Schnitt fünfzig, da macht man schon mal Dinge, die man eigentlich nicht macht. Manch anderer Regisseur indes macht das schon immer, und pflügt sich, von FSK 0 bis FSK 16, wie ein vielseitig geforderter Schauspieler durch Liebe, Spaß und Tod. Musterbeispiel: Steven Spielberg. An dessen Schaffen sich auch verdeutlicht, worauf es, ganz anders wiederum als beim talentierten Schauspieler, ankommt: auf den Wiedererkennungswert, auf die eigene Handschrift, die einen über Liebe, Spaß und Tod hinaus unverwechselbar macht – im Guten wie im Schlechten. Und so erkennt man auch einen Eli Roth im Kinderkino wieder. Und einen Bully im Drama. Schauen Sie mal.
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