Kurz vor Ladenschluss hat „Die Eiskönigin 2“, unter Kindern besser bekannt als „Anna und Elsa“, mit über sechs Millionen Besuchern den „König der Löwen“ vom ersten Platz gestoßen. Inwieweit die ungewöhnliche FAZ-Videokritik des Autors und Kritikers Dietmar Dath im Prinzessinnenkleid mit Diadem und Zauberstab zum Erfolg beigetragen hat, ist unbekannt. Der Film, über den 2019 wohl am meisten diskutiert wurde, blieb mit gut 4 Millionen Tickets nur der sechste Platz.
Die bestplatzierte deutschen Produktion, Bora Dagtekins „Das perfekte Geheimnis“ kommt mit 4,8 Millionen verkauften Tickets noch davor auf Platz vier. Damit haben Dagtekin und sein Stammdarsteller Elyas M‘Barek bewiesen, dass sie auch ohne Göhte die Goldesel des deutschen Films sind. Der erste deutsche Arthausfilm, als Debüt eine absolute Überraschung, kommt mit knapp 600.000 verkauften Tickets auf Platz 43 und ist in diesem Jahr der erfreuliche deutsche Beitrag für den Auslands-Oscar. Nora Fingscheidts „Systemsprenger“ ist nicht nur ästhetisch gewagt und thematisch bedeutsam, sondern auch in der Branche ein Systemsprenger. Der Low Budget-Film lief nach dem Berlinale-Erfolg Anfang 2019 bundesweit in knapp hundert Kinos und hat schnell ein Vielfaches seiner Produktionskosten eingespielt. Man kann also einiges anders machen, und doch an der Kinokasse Erfolg haben.
Man kann auch alles richtig machen und an der Kinokasse nicht ganz so erfolgreich sein wie ein mittelmäßiger Blockbuster: Künstlerisch begeisterten uns im vergangenen Jahr Filme wie „Border“, „Porträt einer jungen Frau in Flammen“, „Mein Leben mit Amanda“ oder „Gelobt sei Gott“. Außerdem viele asiatische Filme wie „Burning“, „Asche ist reines Weiß“ oder „Parasite“ und lateinamerikanisches Kino wie „Birds of Passage“, „Nuetro Tiempo“ oder „La Flor“. Und nicht zuletzt größere anglo-amerikanische Produktionen wie „Stan & Ollie“, „Judy“, „The Favourite“, „A Toy Story“ oder ‚der neue Tarantino‘ ...
In Berlin sind jetzt schon jetzt alle Augen auf die 70. Berlinale gerichtet. Nicht nur, weil es ein großes Jubiläum ist, sondern auch wegen personeller Änderungen. Nach 18 Jahren unter der Leitung von Dieter Kosslick ist dies die erste Ausgabe unter der neuen Leitung von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek. Keine leichte Bürde, auch wenn Kosslick nicht nur Lob für seine Festivalpolitik erhielt. Die Retrospektive ist dem Regisseur King Vidor gewidmet, die Hommage würdigt Helen Mirren, Jeremy Irons ist der schon jetzt kritisch diskutierte Präsident der Wettbewerbsjury. Die Filme des Wettbewerbs standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest, sie sollten zum Jubiläum und Antritt der neuen Leitung aber alles andere als Durchschnitt sein. Sicher ist: Es wird mit „Encounters“ einen zusätzlichen Wettbewerb geben, der sich ganz den „neuen Stimmen des Kinos“ verschreibt. Ob es dann noch solche Systemsprenger wie Nora Fingscheidts Debüt in den Hauptwettbewerb schaffen? Andererseits: Bei den „Encounters“ laufen Filme, die zuvor in der Sektion Panorama ohne Aussicht auf eine Ehrung gelaufen wären ... Die Diskussion ist eröffnet!
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