Bodyshaming, ungleiche Bezahlung, Übergriffigkeit, Mansplaining: Der Horror der hegemonialen Männlichkeit hat auch in unserer Gegenwart noch viele Gesichter. Die Unterdrückungsmechanismen sind so vielfältig wie perfide. Zwar mag sich der Status der Frau seit den 80ern bereits verbessert haben, aber es ist noch eine ganze Menge Arbeit zu leisten. Das zeigt Missy Magazine-Gründerin Stefanie Lohaus in ihrem neuen Buch „Stärker als Wut“, einer unverzichtbaren Bildungsreise für Feminismus-Interessierte – faktenkundig, unterhaltsam und entwaffnend ehrlich.
Wut kann Katalysator für Veränderung sein. Doch oft verstellt sie auch den Blick auf bereits errungene Erfolge. Das konstatiert Stefanie Lohaus, die sich gleich zu Beginn als „wütende Feministin“ outet. Gründe hierfür gibt es reichlich, denn die weibliche Selbstermächtigung wird historisch stets begleitet von Ohnmachtserfahrungen: Ob es um das Wahlrecht, das Recht auf Abtreibung oder die Strafbarmachung von Vergewaltigung in der Ehe geht.
Mit wachem Blick und an ihrer eigenen Biografie entlang vollzieht Stefanie Lohaus nach, wie sich die erfolgreichste soziale Bewegung in der Menschheitsgeschichte seit den 80ern weiterentwickelt hat. Figuren wie die umstrittene Alice Schwarzer, auf deren Errungenschaften sie wohlmeinend verweist, sind hierbei genauso essentiell wie die allgemeinverständlich zusammengefassten Kernaussagen großer Denkerinnen von Simone de Beauvoir über Audre Lord bis hin zu Judith Butler. All dies bettet sie ein in die politischen Umwälzungen im Strom der Zeit, die hartnäckig gegen patriarchalen Widerstand forciert wurden.
„Stärker als Wut“ ist eine Art Schnelldurchlauf durch diese bewegte Geschichte des (vorwiegend deutschen) Feminismus und birgt das Potenzial zur Einführungslektüre. Hoch anzurechnen ist der versöhnlich-unpolemischeTon. Und auch die Schlüsse, die Lohaus zieht, sind hoffnungsstiftend. Heute ist der Feminismus intersektional und gibt nicht nur Cis-Frauen, sondern auch anderen diskriminierten Gruppen eine Stimme. Allerdings steht er auf wackeligen Beinen, wie das Erstarken rechter Strömungen zeigt. Der Kampf gegen binäre Klischees ist und bleibt wohl noch eine Zeit lang traurige Notwendigkeit.
Stefanie Lohaus: Stärker als Wut. Wie wir feministisch wurden und warum es nicht reicht | Suhrkamp Verlag | 271 S. | 20 Euro
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