Ein Stoffhase hängt an der Wand. Neben ihm der Text: „Zerschnittener weißer Hase („Mümmeli“). Er stand symbolisch dafür, dass ER und SIE immer füreinander da sein wollten.“ Jetzt sind SIE getrennt, und DER HASE hängt im Museum. „Mümmeli“ ist eins von zahlreichen Relikten aus zerbrochenen Beziehungen des „Museum of Broken Relationships“. Die Reihe an Objekten ist vielfältig und skurril: Ob weiße Stoffmäuse, die Rasta-Zöpfe des Verflossenen, Hochzeitskleider, Herpescreme, die an Karnevalsbekannschaften erinnert, Bücher, Gedichte, Bilder oder eben auch das T-Shirt von Manfred.
Die Gegenstände aus insgesamt 25 Ländern, die die aus Zagreb stammende Wanderausstellung „Museum of Broken Relationships“ seit zehn Jahren bereist und im jeweiligen Land eingesammelt hat, könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch ist der Wert, den sie transpotieren, ein universeller: Sie alle erzählen von der Liebe. Von Gefühlen, von Leidenschaft, aber auch von Kummer, von Abschied, von Trauer und von Schmerz. Der Andrang bei der Vernissage im Alten Pfandhaus ist groß. „Wohin mit dem Ballast zerbrochener Beziehungen?“, ist wohl eine Frage, die sich viele Menschen stellen. „Zum Beispiel ins Museum“, lacht Kurator Kai Kullen, und: „Nichts könnte wohl besser zum Oberthema ‚Liebe‘ des diesjährigen Sommerblutfestivals passen.“
Mit dem „Museum of Broken Relationships“ wollen Olinka Vištica and Dražen Grubišić einerseits Kreativität und Emotionalität miteinander verbinden und gleichzeitig aus dem Seelenmüll und emotionalen Ballast des Einzelnen etwas Zugängliches und Positives für die Öffentlichkeit schaffen. So wird aus scheinbar nichtigen und negativ behafteten Erinnerungsstücken ein immaterieller symbolischer Mehrwehrt für die Allgemeinheit. „Unsere Gesellschaft gibt uns vor, immer nur zu gratulieren, wenn jemand Erfolg verbuchen konnte. Schmerz und Trauer jedoch, eine kaputt gegangene Beziehung, etwas Gescheitertes, wird aus unserem Denken verdrängt,“ bedauert Vištica. Sie möchte das ändern. Deshalb gibt ihre Ausstellung den nichtigen Milchzähnen einer Katze in Form eines Amuletts Platz, oder auch einem hässlichen Plastik-Godzilla. Die Geschichte hinter diesem: Als seine Freundin ihn verließ, blieb dem Verlassenen nur noch dieser Gummi-Saurier als Erinnerung an ihre Liebe. Kurzerhand funktionierte er das Monstrum in einen Schmuckständer für seine nächsten Liebesabenteuer um. Nun schmückt der umfunktionierte Godzilla selbst das Museum. „Dadurch, dass ich meinen Seelenballast hier abgeliefert habe, fühle ich mich jetzt wesentlich befreiter“, sagt eine der Liebesmüll-Spenderinnen aus Köln, die anonym bleiben möchte.
Der Liebeskummer der anderen: Im ersten Moment mag es ein wenig seltsam und voyeuristisch anmuten, das T-Shirt von Manfred zu betrachten, doch wenn man die Objekte näher anschaut, schießt einem folgender Gedanke durch den Kopf: Diese Menschen haben tatsächlich geliebt. Sie haben wirklich gelebt, gelitten. So, wie jeder von uns einmal. Das hier ist real. Und diese Realität ist so präsent, dass sie den ganzen Raum füllt. Denn, so steht es auf einem Comic eines liebenden Mädchens geschrieben: „Loving can hurt but it’s the only thing that makes us feel alive.“
Museum of Broken Relationships, Köln: Altes Pfandhaus | bis 15.5. tägl. 16-19 Uhr | www.2016.sommerblut.de
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