Wozu Revolution, wenn der globale Kapitalismus sowieso die Gesellschaft ständig umwälzt? Alice Birchs feministischer Furor will trotzdem die Sprache, die Welt, die Arbeit und die Körper revolutionieren – auch wenn der Titel „Revolt. She said. Revolt again.“ eher nach Becketts Vergeblichkeitsetuden klingt.
Im FWT sitzen vier junge Frauen in schwarzem Dress (Fiona Metscher, Franziska Schmitz, Lisa Sophie Kusz, Mirka Ritter) auf kleinen Sesseln, vor sich jeweils drei Flokatiteppiche und sprechen chorisch den Text. Eine erotische Begegnung von Mann und Frau wird sprachkritisch abgeklopft und mit Austausch von Subjekt und Objekt sowie des Wortschatzes zur komischen Nummer, die in einer weiblichen Machtfantasie mit lollyartiger Vulvareliquie kulminiert. Eine läppische Forderung einer Frau zur Arbeitszeitverkürzung quittiert der Arbeitgeber mit einem absurden Aufgalopp durch den gesamten Reproduktionsbereich. Die emotionale Verve der Performerinnen kann nicht verdecken, dass die ersten Szenen aktuellen Konzepten der Feminismus- oder der Arbeitstheorie nicht wirklich standhalten.
Spannender dann der Versuch, den eigenen Körper zu revolutionieren, indem er in den Warenkreislauf eines Supermarkts eingespeist wird. Berührend wird es schließlich, wenn eine Mutter, die aus einer gewaltgetränkten Ehe geflohen ist, ihrer Tochter Rede und Antwort steht. Der Abend kulminiert schließlich in einer ironischen Fantasie von weiblicher Weltherrschaft. Das Regieduo Killer&Killer hat Birchs Text zwar unterhaltsam instrumentiert, eine Aufforderung der Autorin aber beherzigen die Regisseurinnen nicht: „this play should not be well-behaved“ – was schade ist.
„Revolt. She said. Revolt again.“ | R: Killer&Killer | 6. - 8.3. ,16. - 18.4. 20 Uhr | Freies Werkstatt Theater | 0221 32 78 17
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
„Vielleicht wird die Kindheit outgesourct“
Regisseurin Viola Neumann über „Das Experiment“ am Freien Werkstatt Theater – Premiere 07/25
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
Vom Wert der Arbeit
8. Auftakt Festival am FWT – Lesung 09/24
Wo ist Ich?
„Fleischmaschine“ am FWT – Theater am Rhein 02/24
Das 360-Grad-Feedback
„Fleischmaschine“ am Freien Werkstatt Theater – Prolog 01/24
Das diffamierende Drittel
Einkommensunterschiede in der Kultur – Theater in NRW 12/23
Die fünfte Gewalt
FWT mit neuer Besetzung – Theater am Rhein 11/23
Menschliche Abgründe
„Mister Paradise“ am FWT – Theater am Rhein 11/23
Vorbereitung aufs Alter
„Die Gruppe“ im Freien Werkstatt Theater – Prolog 09/23
Rechtfertigung auf Skiern
„Der Nachbar des Seins“ am FWT – Theater am Rhein 08/23
Groteskes Reenactment
„Der Nachbar des Seins“ am FWT – Prolog 07/23
Muss alles anders?
„Alles muss anders“ am FWT – Theater am Rhein 05/23
Wohin, David?
„Mein Onkel David“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 08/25
Vergessenes Weltwunder
„Mein Freund, der Baum, sieht rot“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 07/25
Unter blauäugigen Hunden
„Traudl Junge – Im Schatten des Bösen“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 06/25
Wieder Mensch sein dürfen
„Das Tagebuch der Anne Frank“ im Leverkusener Erholungshaus – Theater am Rhein 05/25
Fragen als Gemeinsamkeit
„Hiob“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 05/25
Raus ins Leben?
„Draußen“ in der Kölner Stadthalle Mülheim – Theater am Rhein 05/25
Der Übermann
„Boys don‘t cry“ in der TanzFaktur – Theater am Rhein 04/25
Zwischen den Fronten
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Die Grenzen des Theaters
„Was ihr wollt“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Im Schatten der Diktatur
„Jugend ohne Gott“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 03/25
Der Mensch als Scherbe
„Der zerbrochene Krug“ am Horizont Theater – Theater am Rhein 03/25
Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25
De Rach vun der Fleddermus
„De Kölsche Fledermaus“ an der Oper Köln – Theater am Rhein 02/25