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Der VerSeidAG-Neubau in Krefeld, 1930
Foto: courtesy Mies van der Rohe Business Park

Minimalistische Zweckbauten

31. Januar 2017

Krefeld: Ludwig Mies van der Rohe und der moderne Fabrikbau – Kunst in NRW 02/17

Vom 27. bis zum 29. Januar fand in den von den Kunstmuseen Krefeld normalerweise als Ausstellungsräume genutzten Häusern Lange und Esters sowie den VerSeidAG-Gebäuden in Krefeld die Ausstellung „Mehr Mies. 14. Krefelder Architekturtage“ statt.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die von Mies van der Rohe entworfenen und 1930/31 in Krefeld realisierten Bauten für die 1920 von den Unternehmern Hermann Lange und Dr. Josef Esters gegründeten Vereinigten Seidenwebereien AG (VerSeidAG). Die Fabrikgebäude, ein Folgeauftrag der ebenfalls von Mies van der Rohe zwischen 1927 und 1930 für die Textilfabrikanten errichteten Häusern Lange und Esters, waren die einzigen industriellen Bauwerke, die der Protagonist des Neuen Bauens verwirklicht hat. Bauten zu industriellen Zwecken stellten die Architekten zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor Aufgaben, die mit strikten Vorgaben in Bezug auf Material, Funktion und Konstruktion verbunden waren. Mies van der Rohe schätzte die Industriearchitektur seiner Zeit und die Bauaufgaben, die mit ihr einhergingen. Sie böten dem Architekten weniger Spielraum für subjektive Interpretationen als vielmehr die Möglichkeit, durch die Umsetzung innerhalb enger Grenzen Architekturen von objektivem Charakter zu schaffen.


Das HE-Gebäude könnte von heute sein, Foto: Elmer Schmitz

Sein für die VerSeidAG entwickelter Komplex umfasst ein viergeschossiges, quaderförmiges Betriebsgebäude, das HE-Gebäude (HE steht für Herrenfutterstoffe), an das ein Shedbau angegliedert ist. Das HE-Gebäude, ursprünglich zweigeschossig geplant, wurde 1935 auf vier Geschosse aufgestockt und die Shedhalle – eine Halle mit einem Sägezahndach – von vier auf neun Sheds erweitert. Kennzeichnend für das HE-Gebäude, das von einem Stahlgerüst getragen wird, sind die breiten, fast raumhohen Fensterbänder an der östlichen Fassade des weißen, glatt verputzten Baus. Fallrohre, die sich zwischen den Fenstern befinden, gliedern die Fassade im Verhältnis 1-2-3-2-1. Das Bauwerk ruht auf einem fünf Backsteinreihen hohen Sockel, der bündig mit der Außenwand abschließt.

Der unauffällige Eingang an der Südseite des Baus führt in ein mit Backsteinen verklinkertes Treppenhaus, das mit einem einfachen, für Mies van der Rohe typischen Treppengeländer ausgestattet ist. Die Räume, in die man durch das Treppenhaus gelangt, sind im ersten und zweiten Obergeschoss durch eine Reihe massiver Säulen zweigeteilt. Das HE-Gebäude diente im Wesentlichen zur Lagerung von Herrenfutterstoffen, das oberste, stützenfreie Geschoss dem Empfang von potentiellen Kunden.

Im Erdgeschoss ist das HE-Gebäude über einen Verbindungsraum mit dem Shedbau verbunden. Die Sheds der Shedhalle, die ebenfalls über weiße Außenwände sowie einen Backsteinsockel verfügt und in der eine Färberei untergebracht war, sind zur Belichtung großflächig verglast.

Mit dem Bau des HE-Gebäudes und dem anliegenden Shedbau entwickelte der Architekt Fabrikbauten, in denen sich der Funktionalismus einer modernen Arbeitswelt auf ästhetische und konstruktive Weise widerspiegelt. Die Bauten sind die letzten Bauwerke, die er vor 1938 realisiert hat, dem Jahr seiner Emigration in die USA.

1999 wurden die Gebäude unter Denkmalschutz gestellt und werden seitdem aufwändig saniert. Dass eine Restauration der Bauten unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten ein genaues Studium von Skizzen, Plänen, Fotografien und Korrespondenzen aus der Zeit ihrer Errichtung sowie eine sorgfältige Analyse und Rekonstruktion der Bauwerke selbst voraussetzt, ließen Prof. Dipl.-Ing. Norbert Hanenberg von der Technischen Hochschule Mittelhessen und Dr.-Ing. Daniel Lohmann von der RWTH Aachen deutlich werden. Die Experten begleiten seit einigen Jahren die Restaurierungsarbeiten wissenschaftlich und führten im Rahmen der Ausstellung durch die VerSeidAG-Gebäude.

Neben der Präsentation der Gebäude für die VerSeidAG und den traditionell zu den Ausstellungen gehörenden Führungen durch die beeindruckenden Backsteinvillen Lange und Esters, der Demonstration der Hebefenstermechanik des Hauses Lange und einem Workshop für Kinder und Familien, in dem Maschinenfabriken in Miniaturen hergestellt werden konnten, beinhaltete das dreitägige Programm außerdem die Vorführung von Filmbeispielen aus dem Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen mit dem Titel „Industriezeit“ sowie Vorträge.

Aktuelle Ausstellung


Casa Luz in Cilleros von Arquitectura-G
Mies van der Rohe Award 2015-Gewinner „Emerging Architect“, Foto: José Hevia

Im Erdgeschoss des HE-Gebäudes zeigt das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW zudem noch bis zum 12. Februar eine Ausstellung zum Architekturpreis „Mies van der Rohe Award 2015“, in der preisgekrönte Architektur aus Europa in einer Video- und Audiotour gezeigt wird. Die Ausstellung gibt einen Überblick über die 420 besten Projekte der letzten zwei Jahre in Form von Plänen, Visualisierungen, Modellen, Fotos und Geräuschkulissen.

Die Ausstellung „Mehr Mies. Krefelder Architekturtage“ findet zweimal im Jahr zwischen den Ausstellungsphasen im Winter und im Sommer in den Museen Haus Lange Haus Esters in der Wilhelmhofsalle in Krefeld statt und beschäftigt sich mit Aspekten des Schaffens von Ludwig Mies van der Rohe.

Elmer Schmitz

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