Auf Einladung der Linken Köln stellten Architekturstudierende Anfang des Monats die „Siedlergenossenschaft Kalscheurer Weg“ und das Projekt „Wohnen, Bauen, Arbeiten“ alternative Wohnprojekte im Bürgerzentrum Deutz vor. Diskutiert wurde anschließend mit dem Architekturprofessor Juan Pablo Molestina und Hans Oster, dem Flüchtlingskoordinator der Stadt Köln, sowie mit den rund 60 Gästen, darunter Sozialarbeiter, Ehrenamtliche aus der Geflüchtetenarbeit, Lokalpolitiker, die Initiative Recht auf Stadt, Betriebsräte, Wohnungssuchende und Lehrer.
Zahlen belegen die missliche Lage, in der sich Kölner auf der Suche nach günstigem Wohnraum befinden: 13.500 Geflüchtete, von denen 4.000 noch in Notunterkünften untergebracht sind, die Hälfte der Kölner Haushalte hat ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein – wobei Geflüchtete ohne geklärten Aufenthaltsstatus ausgeschlossen und nur 7 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert sind. Alternative Wohnideen sind mit den städtebaulichen Vorgaben der Verwaltung schwer in Einklang zu bringen.
Konzepte, die nicht aufgehen
Der Moderator des Abends Dietmar Aigner, Jurist und aktives Mitglied der Linken, erklärte, dass Deutschland als viertreichste Volkswirtschaft der Welt und Köln als Großstadt menschenwürdiges Wohnen ermöglichen könne, doch fehle bezahlbarer Wohnraum. Zwar habe die Stadt verkündet, dass 2015 im öffentlichen Sektor 1000 Wohnungen gebaut worden seien, gleichzeitig fielen jährlich bis zu 1700 Wohnungen aus der Mietpreisbindung heraus. Er sehe die Problemlösung nicht durch Investoren: Diesen wird von der Kommune angeboten, zinsniedrig Kapital zum Bau von öffentlich gefördertem Wohnraum aufzunehmen. Ein weiterer Anreiz sind die hohen Tilgungsnachlässe, die aufgrund eines Projekts der Landesregierung noch höher sind, wenn Wohnungen für Geflüchtete gebaut werden. Exkludierendes Bauen wird aufgrund der so verhinderten Integrationsmöglichkeiten von den Veranstaltern abgelehnt.
Im Gegenzug für die Nachlässe verpflichten sich die Investoren eine Mietpreisbindung für max. 20 Jahre einzugehen. Danach ist der günstige Wohnraum verloren, und es verringern sich sukzessive die Flächen in Köln, auf denen öffentlich geförderter Wohnraum gebaut werden kann. Zwar existiert die GAG Immobilien AG, welche jährlich ca. 6 Mio. an die Stadt ausschüttet, um damit die schlechte finanzielle Situation der Kommune aufzufangen. Umso mehr sie die gesetzlichen Bestimmungen zur Miethöhe nutzt, umso höher ist die Ausschüttung. Es fehlt also dauerhaft günstiger Wohnraum. Auch bei preiswertem Wohnraum werden hohe Standards gefordert, da günstige Baukosten nicht zu geringerer Miete führen, wenn der Mietspiegel dies nicht vorgibt. Aigner hob hervor, dass es nicht darum gehen dürfe, Personen, die einen berechtigten Anspruch auf günstigen Wohnraum haben, gegeneinander auszuspielen, sondern gemeinsam für bezahlbaren Wohnraum zu kämpfen. Mit bezahlbarem Wohnraum für alle solle der Sozialneid abgeschafft werden.
Ideen aus Theorie und Praxis
Es gibt Alternativen. So entwickelten Studierende der Technischen Hochschule Köln, Frau Rebekka Berninger und die Herren Lütgenaar, Lütsdorf und Janßen unter dem Titel „Mixed Integration“ Entwürfe für dauerhaften Wohnraum mit Gemeinschaftsflächen in einer funktionalen, integrierten Nachbarschaft. Das Besondere an ihren Entwürfen ist, dass sie bestehende Flächen in Köln gesucht und neue Wohnprojekte mit den Gegebenheiten verknüpft haben: Die Überbauung des Hochbunkers in Deutz sowie von bestehenden Parkplätzen und der Einbeziehung der Ehrenfelder Bahnbögen.
Ein bestehendes Projekt ist die Siedlungsgenossenschaft, über die Georg Brombach informierte. Die Häuser sind Eigentum der Besitzer, die Genossenschaft finanziert sich über die Pacht aus den Nutzungsverträgen für den Boden. Die Dorfwiese fungiert als „soziale Mitte“. Auch heute wäre es wünschenswert, wenn die Stadt Genossenschaftsinitiativen, den privaten Investoren, bei der Grundstücksvergabe vorziehen würde. Nun möchten die Siedler sich erweitern. Bis 1968 sei die anvisierte Fläche besiedelt gewesen, u.a. mit Flüchtlingsbaracken. Die Stadt Köln habe den damaligen Nutzern gekündigt, ihre Häuser abgerissen, und seitdem sei die Wiese eine Brachfläche. Für die Siedler kommt hier nur gemeinschaftliches Wohnen in Frage, für Personen, die (unter)durchschnittlich ökonomisch ausgestattet sind. Sie möchten die Wohnungen gemeinsam bauen, um sich kennenzulernen und die neuen Bewohner an die Siedlung zu binden, sowie die Grünflächen erhalten. Die Stadt aber wolle einen Architekturwettbewerb ausschreiben und kurzfristig Systembauten für Geflüchtete errichten, was zu einer Zerschlagung der bestehenden Siedlung führe. Für deren Erhalt wollen die Bewohner sich einsetzen und hoffen auf Öffentlichkeit und die zugesagte Unterstützung der Grünen und Linken.
Ein weiteres bestehendes Alternativprojekt, „Bauen, Wohnen, Arbeiten“, stellte Dieter Breuer vor. Er initiierte vor 20 Jahren ein soziales Wohnprojekt mit der Zielgruppe Wohnungslose in einer alten Kaserne; außerdem leben dort Punks, traumatisierte Kriegsgeflüchtete, Suchtgefährdete und Familien, die in Bau und Instandhaltung einbezogen würden. Das Projekt setze im Gegensatz zu kommunalen Einrichtungen für Wohnungslose, auf Selbstbestimmung, Vernetzung im Veedel und viele Begegnungsorten. Ein weiteres Projekt sei geplant. Dem Kaufkonzept sei durch das Wohnungsamt zugestimmt worden, die Antwort des Liegenschaftsamts stehe noch aus. „Bauen, Wohnen, Arbeiten“ wollen mit ihrer Expertise ein neues Sozialprojekt gründen, in dem auch Geflüchtete mit ihren Fähigkeiten in den Bau integriert werden sollen.
Was ist aktuell möglich?
Professor Molestina bezeichnete die vorgestellten Wohnprojekte als Nischenprojekte, die sich nicht im städtebaulichen Konzept befänden. Dieses wünsche antagonistische Mieter, die nicht Eigenes gestalten. Er hob die Handlungsspielräume privater Investoren hervor sowie das von Kölner Architekten entworfene, in Hamburg realisierte Projekt „Grundbau und Siedler“. Dieses setze statt auf eine reine Fertig- oder Modulbauweise auf Einbeziehung der zukünftigen Bewohner in Planung und Umsetzung. Köln müsse wieder zur siebenstöckigen Bauweise wie vor dem Krieg zurückfinden, da durch diese Dichte Bodenkosten über viele Parteien geteilt würden. Die dadurch entstehende Diversität sei Lebensqualität. Er sprach sich besonders gegen Tiefgaragen aus, als teuerste und – aufgrund abnehmender Autoeigentümer in Köln – nicht notwenige Bauprojekte.
Doch was sagt die Verwaltung zu der kritisch dargestellten Situation und den Alternativvorschlägen?
Oster, Flüchtlingskoordinator der Stadt Köln, stimmte zu, dass Köln kein Geflüchteten-, sondern ein Wohnungsproblem aufweise. Er benannte als teuerste Unterkunft die Schlechteste, beginnend mit der Turnhalle. Ein umfassendes Konzept für bezahlbaren Wohnraum könne die Stadt bis heute nicht vorweisen. Osters Aufgabe sei die Unterstützung Verwaltung und Beobachtung der aktuellen Situation. Die Stadt müsse kurzfristig handeln. Eine Teilnehmerin berichtete von ihrem Besuch bei der letzten offenen Ratssitzung, als der Bebauungsplan des Deutzer Hafens besprochen wurde. Die einzigen, die dagegen gewesen seien, dass der den Zuschlag bekommt, der am meisten Geld für das Grundstück bezahlt, und mehr sozialer Wohnungsbau forderten, seien die Piraten und die Linken gewesen.
Oster wies darauf hin, dass die Kölner Verwaltung alle Flächen zum Bau für Geflüchtetenunterkünfte meide, auf denen konventioneller langfristiger Wohnungsbau möglich sei. Aus seiner Sicht existiere durch das Verwaltungsdenken und die strengen Vorschriften eine Schere im Kopf – er wolle Ansätze des Gehörten mitnehmen. Die Gesetze müssten sich an die Lebenswirklichkeit anpassen. Die umgesetzten Alternativprojekte finde er persönlich gut, aber die Stadt könne es sich nicht leisten, so „verschwenderisch“ mit Fläche umzugehen. Für die politische Diskussion siehe Oster aktuell keine Zeit, ein Integrationskonzept kündigte er für das Frühjahr 2017 an.
Eine Lösung steht weiter aus
Es existieren viele Ideen für Wohnraumprojekte, die nicht in das städtebauliche Konzept passen und mehr Zeit benötigen, als der Verwaltung gegeben ist. Doch wird durch die Vergabe von Bauland an private Investoren günstiger Wohnraum durch Genossenschaften und soziale Projekte verhindert. Die Verschiebung der politischen Diskussion auf das Jahr 2017 kann zu spät sein, wenn erst einmal exkludierter und privater Wohnraum geschaffen ist. Auch sind bis heute die Ehrenamtlichen in den Geflüchtetenunterkünften maßgeblich an dem Auszug in Wohnungen beteiligt. Trotz der kommunalen Stelle und den Vertretern der Träger der Unterkünfte werden kommunale Aufgaben in das Ehrenamt verlagert. Es bleibt abzuwarten, wie die guten Ideen des Abends umgesetzt werden könnten. Dafür ist es wichtig, weiter gemeinsam zu agieren und soziale Gruppen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Weitere Termine:
„Bezahlbarer Wohnraum – für alle! 3. Mietenpolitischer Ratschlag“ | Sa 29.10. 11-18 Uhr | Bürgerzentrum Ehrenfeld | www.linksfraktion.de/termine
„Wohnen wagen!“ – Auftaktveranstaltung der Willkommensinitiativen | Fr 4.11. 18 Uhr | Rudolfplatz | wohnen-wagen.de
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