Das Gustav-Lübcke-Museum in Hamm ist ein Paradebeispiel für ein aktives Mehrspartenhaus auf kommunaler Ebene. Die bildende Kunst ist nur ein Teil dessen, was hier gesammelt, bewahrt und ausgestellt wird. Design gehört dazu, auch die Stadtgeschichte, auch – weit über das Ruhrgebiet hinaus beachtet – die Sammlung zur Kultur des Alten Ägypten. Das Museum richtet sich also an die breite Bevölkerung. Die Vermittlung der Exponate und ihrer Zusammenhänge steht – ganz im Trend heutiger Museumsarbeit – an oberer Stelle, eine wichtige Rolle nehmen dabei die Sonderausstellungen ein. Als Modell für das Funktionieren unserer urbanen Gesellschaft könnte nun die aktuelle Wechselausstellung interpretiert werden, die sich den Leistungen des Römischen Reiches zuwendet. Die Weltmacht Rom verfügte, teils in Verbesserung von Erfindungen der griechischen Antike, über eine ausgebildete Infrastruktur und technische Präzision in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens: in der Architektur, im Städte- und Straßenbau, in der Versorgung der Haushalte mit Wasser oder in der Kriegsführung. Und das vor 2000 Jahren! Also vor Computer und Internet und der Elektrizität.
Viele Errungenschaften, auf denen auch unser heutiger Alltag beruht, gab es bereits im Römischen Reich, nur funktionierten sie „damals“ anders. Die Ausstellung in Hamm, die bereits in mehreren Institutionen in den Niederlanden und Deutschland präsentiert wurde, stellt etliche dieser Leistungen vor. Sie überrascht mit den Fußboden- und Wandheizungen der Villen und verdeutlicht, wie die Römer die Hebelgesetze nutzten und mit gebrannten Ziegeln Bögen und Gewölbe bauten. Zum Equipment der Schau gehören Modellbauten, Fotos und Filme und interaktive Vorrichtungen wie Seilwinden und ein Katapult, die bedient werden sollen: Das ist dann überwiegend der Job der Kinder. Sowieso richtet sich die Ausstellung an die ganze Familie – und an Schulklassen – weshalb etwa die Sehschlitze, in denen Videos zu sehen sind, niedrig angebracht sind.
Begleitend befinden sich in Vitrinen etliche antike Gerätschaften, darunter Gefäße, Dachziegel und Geschosse. Leider gehen die Vitrinen in der gedrängten Fülle etwas unter und leider fehlen die Angaben zu Ort und Entstehungsjahr. Vielleicht würden solche Hinweise ja das Bewusstsein für die Leistungen und damit den Grad der Aufmerksamkeit steigern. Eine wichtige Erkenntnis der Ausstellung aber könnte sein, dass nichts selbstverständlich ist, stattdessen seine Vorgeschichte, seine Produktionsbetriebe und im Übrigen auch seine Designer hat. Der nächste Schritt – noch im Thema – wäre dann vielleicht der Besuch des Römisch-Germanischen Museum in Köln. Und hier, im Haus, die Besichtigung der neu eingerichteten Ägypten-Abteilung: Das Gustav-Lübcke-Museum zeigt sich von seiner besten Seite.
„HighTech Römer“ | bis 30.10. | Gustav Lübcke Museum in Hamm | 02381 17 57 14
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Menschen in Räumen
Tim Eitel in der Neuen Galerie Gladbeck – Kunst in NRW 04/21
Aus der Distanz ganz nah
Bert Didillon und Hanna Kuster bei den Grölle pass:projects in Wuppertal – Kunst in NRW 03/21
Menschen und Farbe
Martin Parr in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/19
Rendezvous der Bildhauer
Henry Moore im Arp Museum Rolandseck – Kunst in NRW 10/17
Minimalistische Zweckbauten
Krefeld: Ludwig Mies van der Rohe und der moderne Fabrikbau – Kunst in NRW 02/17
Bekenntnisse zu einer wachsenden Stadt
Diskussion zu neuen Bauvorhaben im Haus der Architektur – Spezial 01/17
Hinter dem Vorhang
„Symbolismus heute“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 01/17
Kein Miteinander ohne Beieinander
Veranstaltung „Gutes Wohnen – auch für Geflüchtete“ im Bürgerzentrum Deutz – Spezial 10/16
Die Kunst, Architektur zu fotografieren
Margherita Spiluttini in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur – kunst & gut 01/16
Blick in die Karten
„Weltkunst“ in Wuppertal – Kunst in NRW 11/15
Menschen und Orte
Frank Auerbach im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 09/15
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23