Wie schafft es das nur! In der allgemein finanziell schwierigen Lage, in der zu allem Unglück die eigene Kommune kulturfremd agiert, gehört das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zu den meistbeachteten Kunst-Instituten in NRW. Jahr für Jahr sind hier sensationelle Ausstellungen zur Klassischen Moderne zu sehen. Das ist auch jetzt der Fall, bei der Ausstellung „Weltkunst“, die mittelalterliche Skulpturen, außereuropäische Werke sowie vor allem Gemälde und Plastiken der Jahrzehnte vor und nach 1900 umfasst. Damit aber lässt sich das Von der Heydt-Museum in die Karten blicken: Es zeigt Teile seiner Sammlung. Diese wiederum ermöglicht einen produktiven Leihverkehr mit anderen Museen, als Grundlage weiterer Ausstellungen zu diesen Epochen. Vorgestellt wird nun also die einstige Sammlung von Eduard von der Heydt (1882-1964), so wie sie dieser – anschließend an die Werke, die sein Vater August gestiftet hatte – dem Von der Heydt-Museum bzw. dem Museum Rietberg in Zürich geschenkt hat. Zu sehen sind Meisterwerke von Van Gogh, Kokoschka, Munch oder Picasso, klug verzahnt mit der mittelalterlichen und außereuropäischen Kunst, die hierfür ausgeliehen wurde. Dies initiiert eine überraschende Neubetrachtung der einzelnen Werke. Zugleich skizziert die Ausstellung die Biographie von Eduard von der Heydt, ja, sie rekonstruiert ansatzweise seine Wohnsitze mit den dortigen Präsentationen.
Die Familie stammt aus Elberfeld, die Leidenschaft für die Kunst hat der Vater entfacht, zur „Weltkunst“ wurde die Sammlung durch den Sohn, in der Intention übrigens ähnlich wie Karl Ernst Osthaus in Hagen. Eduard von der Heydt beschäftigte sich ab 1905 mit der Philosophie und Kunst Asiens; 1920 hat er erstmals afrikanische Skulpturen in Paris erworben. Gemeinsam mit seinem Bruder konnte er 1922 die elterliche Kunstsammlung erwerben, wodurch er sich wieder stärker der europäischen Moderne zuwandte. Von der Heydt, der als Jurist zunächst im Auswärtigen Dienst, dann als Berater des Kaisers in Holland tätig war und später zeitweilig Mitglied in der NSDAP war, lebte seit 1920 in Zandvoort, wo er ein Gebäude am Strand auch für seine Sammlung umgebaut hatte. 1926 erwarb er die Lebensreformsiedlung auf dem Monte Verità, die er zu einer Hotelanlage umwidmete und wo er auch starb. Zwei Jahre zuvor, 1962, wurde er zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Wuppertal ernannt, zu der er, trotz seiner Wohnort-Wechsel in Krisenzeiten und obzwar seine Werke zeitweilig auf 69 Museen in Europa und den USA verteilt waren, immer in Kontakt geblieben war. Etliche Kunstwerke sind im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen, aber was erhalten blieb und an das Wuppertaler Museum ging, ist vorzüglich. Die Ausstellung präsentiert sie als substanziellen Einblick in die Geschichte der Kunst.
„Weltkunst. Die Sammlung Eduard von der Heydt“ | bis 28.2. | Von der Heydt-Museum Wuppertal | 0202 563 26 26
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Anyone Home!
Human AI Art Award 2024 im Kunstmuseum Bonn
Menschen in Räumen
Tim Eitel in der Neuen Galerie Gladbeck – Kunst in NRW 04/21
Aus der Distanz ganz nah
Bert Didillon und Hanna Kuster bei den Grölle pass:projects in Wuppertal – Kunst in NRW 03/21
In der Verlängerung beginnen
Museen zwischen öffnen und schließen – Kunst in NRW 02/21
Menschen und Farbe
Martin Parr in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/19
Herrschaft über Bildnisse
„Bild Macht Kunst“ im Kunstmuseum Bochum – Kunst 11/18
Staubige Geschichte unterm Mikroskop
„Versiegelte Zeit“: Nadia Kaabi-Linke im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 12/17
Rendezvous der Bildhauer
Henry Moore im Arp Museum Rolandseck – Kunst in NRW 10/17
Humor dosiert
Boecker, Gross und Niedecken in Bergisch Gladbach – kunst & gut 09/17
Auf der Flucht
„WeltenWanderer“ im Kunstmuseum Mülheim – Kunst in NRW 05/17
Hinter dem Vorhang
„Symbolismus heute“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 01/17
Malerische Fotografie
„Foto – Kunst – Foto“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 12/24
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23