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Rainer Fetting, Hurricane, 2005, Privatbesitz
Bild: © Künstler, Museum am Ostwall, Dortmund

In der Verlängerung beginnen

09. Februar 2021

Museen zwischen öffnen und schließen – Kunst in NRW 02/21

Wer lediglich auf Vernissagen und Premieren geht, dem erschließt sich vielleicht nicht, wie großzügig Kunsthallen, Konzertsäle, Theater, Kinos und Bibliotheken angelegt sind. Wie sehr sich Menschen in ihnen verteilen können, ja, hier erst ein Gefühl dafür bekommen, auf Abstand zueinander zu bleiben und die physische Privatsphäre zu beachten. Wie immens das Wissen ist, das sich an den Orten der Kultur erfahren lässt, wie differenziert gesellschaftliche Fragen aufgeworfen werden und für das Leben, für die Sprache und das Sehen sensibilisieren. Wie hoch der Bildungsanspruch und das Gemeinschaftsgefühl sind und dass Menschen an diesen Orten glücklich sein können, egal ob jung oder alt. Natürlich ist Kultur systemrelevant!

Kunst-Erleben mit Corona

Derzeit legen die Museen – wie auch die anderen Disziplinen – eins drauf: Sie erweitern ihr Programm ins Digitale und Virtuelle. Und sie verlängern die mit viel Aufwand und Begeisterung mit den Künstlern realisierten Ausstellungen in der Hoffnung, dass sie als Happy End doch gesehen werden können. Immerhin, die digitalen Angebote liefern Basisinformationen und vertiefen sie. War vor einem Jahr, beim ersten Lockdown, vieles improvisiert und ruckelig, so haben die Museen ihr Vorgehen inzwischen perfektioniert. Da sind die digitalen, jederzeit abrufbaren Eröffnungen – nur die Redner im Museum auf Abstand, mit den Kunstwerken, sonst niemand – etwa der Ausstellungen im Museum Ludwig in Köln (Andy Warhol) oder im Museum Küppersmühle in Duisburg (Hanne Darboven). Dazu kommen Gespräche und Diskussionen mit Experten während der Ausstellung, in denen das Publikum in Fragerunden zugeschaltet ist. Von Mal zu Mal gibt es „Führungen online“, einen „360° Rundgang“ und „digitale Workshops“.

Einzelne Ausstellungen lassen sich aber auch jetzt live sehen: durch die Fensterscheiben, etwa im Kölnischen Kunstverein der künstlerische Dialog von Jennifer Blightman und Dorothy Iannone, im Kunstmuseum Temporär in Mülheim die dokumentarische Präsentation zu Joseph Beuys oder im Museum Glaskasten in Marl die Sammlungs-Installation von Erika Hock. Die Kunsthalle Düsseldorf wiederum projiziert täglich zwischen 18 und 21 Uhr einen Film von Lutz Mommartz zu Joseph Beuys auf die Fassade.

NRW-Museen bemüht um Verlängerungen

Nicht jede Ausstellung lässt sich verlängern (da sind die Anforderungen der Leihgeber oder die Weitergabe an Folgestationen), und immer neue Hiobsbotschaften zum Lockdown schaffen immer neue Situationen. Froh sind wir, dass die Warhol-Ausstellung in Köln, Jawlensky (Kunstmuseum Bonn) sowie Max Klinger (Bundeskunsthalle) in Bonn noch einige Zeit zu sehen sind; Martin Kippenberger, der am 7.2. ohne Eröffnung eröffnet wurde, ist in der Villa Hügel in Essen bis Mai terminiert. Die Retrospektive zu Otmar Alt im Gustav-Lübcke-Museum Hamm ist bis Juni verlängert, „RESIST“ im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum läuft sowieso bis Mitte Juli. Die multimediale Schau mit dem Experimentalfilmer Lutz Mommartz in der Kunsthalle Düsseldorf wurde nun bis Ende April verlängert. Noch hoffen wir, dass die die ebenfalls aufgebaute Ausstellung „Vision und Schrecken der Moderne“ im Von der Heydt-Museum Wuppertal, die Ende Februar ausläuft, doch noch gesehen werden kann.

Vergessen werden darf bei all dem nicht, dass mit jedem geschlossenen Tag den Kunstinstituten wichtige Einnahmen verlorengehen und viele Mitarbeiter, etwa die Aufsichten und Transporteure, Aufbauhelfer, Grafiker und Gastkuratoren, von Job zu Job bezahlt werden – und es derzeit eben weniger Ausstellungen gibt.

Weitere wichtige Ausstellungen, die wir noch sehen möchten und die das eigentlich großartige Spektrum der Ausstellungsprogramme in NRW belegen, sind etwa die Bilder und Skulpturen von Rainer Fetting als Ausstellung des Museum Ostwall im Dortmunder U, die Foto-Sammlung Garnatz im Dialog mit der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur im Kölner Mediapark und die Ausstellung mit Caspar David Friedrich und der Spätromantik der Düsseldorfer Malerschule im Kunstpalast Düsseldorf. Ja, vielleicht sind Friedrichs Meisterwerke des frühen 19. Jahrhunderts mit ihrer sensationell feinen Malerei ein Beleg dafür, dass der Bildschirm niemals das Sehen vorm Original kompensieren kann. Kunst und Kultur gehören unmittelbar, sinnlich erlebt – wenn wir wieder dürfen.

Thomas Hirsch

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