Es ist eines der letzten Tabus der westlichen Gesellschaft: die Menstruation. Das Künstlerteam „Tell Me – Personal Stories“ hat sich des Themas in kreativer, einfühlsamer Weise angenommen. Zwölf Teilnehmerinnen haben unter der Leitung von Nikola Hübsch, André Jolles und Ana González zwei Wochen lang Performances erarbeitet, die sie im Kunsthaus Rhenania vorstellen. Ausgangspunkt waren Mythen aus aller Welt, die die Periode behandeln.
Ausdrucksvoll tanzt Chandi Oliveira das Märchen der australischen Aborigines von den Wawilak-Schwestern, die mit ihren Söhnen von der Regenbogenschlange verschlungen und ausgespuckt werden – Symbol weiblicher Schöpfungskraft. Dann erzählt Nikola Hübsch eine Familienszene, bei der die Mutter dem untreuen, gewalttätigen Ehemann wütend einen gebrauchten Tampon nachwirft. Ihre plastische Schilderung, wie Frauen mangels Binden Klopapier verwenden, löst im Publikum erkennendes Gelächter aus. Lucia Lehmann erzählt mit eindrucksvoller Gestik und Mimik das grönländische Märchen von der Frau, die ihre Schwiegermutter heiratete. Dabei überraschen ungewöhnliche, skurrile Bilder weiblicher Sexualität. André Jolles erzählt von der Angst eines Mannes vor den strengreligiösen Eltern seiner Freundin, die die Verbindung ablehnen, so dass das Ausbleiben der Periode zur Existenzfrage wird. Oft streifen die Stories die mit dem Blut verbundene Scham und Angst.
„Die Idee zum Thema kam aus Kenia, wo Entwicklungshelfer auf den Mangel an Hygieneartikel für Frauen hingewiesen haben“, erzählt Projektleiterin Lucia Lehmann. „Dann ist uns aufgefallen, welche Relevanz es für unsere Gesellschaft hat. In den USA gilt 2015 als das Jahr, in dem die Periode öffentlich wurde.“ Woher das Tabu rund um die Menstruation komme, wollen wir wissen. „Es herrscht das Bild der Reinheit. In der Werbung wird Blut blau dargestellt. Unser Frauenbild wurde stark von der Kirche geprägt. Frauen haben Angst, über ihre Tage zu sprechen, weil es mit Schwäche oder Launenhaftigkeit assoziiert wird.“
Ein Höhepunkt ist die Performance von Marie und Maria, die zeigt, wie frau sich fühlt, wenn sie bei einem Auftritt ihre Periode hat. Bauchkrämpfe begleiten das hinreißend gesungene „Ave Maria“. Auch hier zeigt das Publikum Wiedererkennen. Heidi Käfer erzählt von der ersten Blutung: Fragen, Unsicherheit, Verschweigen. Aski Ayran Leber thematisiert in ihrem vielschichtig gestalteten Kunstwerk Angst, Scham und den Versuch, alles zu kontrollieren. Ein geworfener Wollknäuel symbolisiert als Lösung den Kontrollverlust. Christina Plischka präsentiert das Apachen-Märchen von den Scheidenmädchen, das – zack, pau, jamjam – mehr als einmal Gelächter bei den Zuhörern auslöst. Melanie Müller und Ana González verknüpfen gekonnt zwei Erzählstränge miteinander: das mikronesische Märchen von Egigu, die einen Baum besteigt, die blinde Schöpfermutter heilt und ihren Sohn, den Mond, heiratet, wobei die erste Menstruation als Akt der Frauwerdung eine entscheidende Rolle spielt. Und die Geschichte vom Mädchen, das mangels Freundinnen mit Jungs spielt, wodurch ihre Geschlechtsidentität in Frage gestellt wird. In der Schlussszene „Schwimmunterricht“ demonstrieren alle Teilnehmerinnen kollektives Schweigen. Die Werkschau wird von Shadi Al-Housh (Perkussion) und George Fazaa (Oud) hinreißend musikalisch untermalt. „In der Regel verschwiegen“ wird beim nächsten Sommerblut-Festival im Mai 2018 in erweiterter Form aufgeführt.
„In der Regel verschwiegen“ | Sa 26., So 27.8. 20 Uhr | Kunsthaus Rhenania, Bayenstr. 28 | www.tellme-personalstories.org
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